Tanz der Engel
Oberstadt und schipperten in einer der verdunkelten Gondeln zu unserem Startpunkt: einer an einen Kanal grenzenden Gasse, irgendwo mittendrin – laut Paul im Osten. Unser Engelsführer wies uns an, zum Dogenpalast zurückzufinden. Dass unterwegs ein paar Aufgaben auf uns warteten, verstand sich von selbst. Das Viertel, in dem er uns ausgesetzt hatte, erwies sich – dank verschlungener Gässchen, Kanälen und zahlreicher Brücken – als malerisch, aber nur wenig belebt.
»In der Oberstadt wohnen die Engel, in der Unterstadt vergnügen sie sich«, erklärte mir Paul. »Abgesehen von den großen Plätzen natürlich. Die gibt es unten nicht. Wenn es wärmer wird und die Sonne scheint, sind viele lieber hier oben als unten auf dem Canal-Grande-Boulevard.«
Das leuchtete mir ein. Bei schönem Wetter ging ich auch lieber im Freien bummeln als ins Shopping-Center.
Paul und Sebastian einigten sich auf die Route. Ich hielt mich raus, Hauptsache, sie verliefen sich nicht wieder. Fünf Gassen und drei Kanäle weiter empfing uns die erste Überraschung. Ein bewaffneter Engel versperrte die kleine massive Marmorbrücke vorn, zwei weitere, einer mit Lanze, blockierten den Rückweg. Natürlich trugen sie Masken und lange schwarze Mäntel.
Sebastian und Paul verwandelten sich und parkten unsere Protegés in der Mitte der Brücke. Sebastian übernahm den Einzelkämpfer. Paul und ich wehrten die beiden anderen ab. Unsere Chancen standen gut. Dank der erhöhten Lage, die uns die Brücke bot, kämpften wir aus der besseren Position. Zudem verzichtete mein Gegner darauf, sein Schwert zu zücken. Dass er stattdessen mit einer Lanze kämpfte, fand ich einigermaßen fair. Ekin war oft auf mich losgestürmt, nachdem er mir den Owoostab aus der Hand geschlagen hatte, damit ich lernte, mich auch ohne Waffe zu verteidigen.
Trotz Ekins Training hagelte es blaue Flecken – so viel Erfahrung besaß ich nun auch wieder nicht. Vor allem meine Finger mussten schmerzhafte Treffer einstecken, da ich versuchte, meinem Gegner die Lanze zu entreißen.
Schließlich änderte ich meine Taktik, lockte meinen Angreifer die Stufen nach oben, duckte mich, entging seinem Hieb, hüpfte auf das massive Brückengeländer, balancierte an ihm vorbei, sprang ihm auf den Rücken und warf ihn zu Boden. Die Lanze glitt ihm aus den Händen – und fiel ins Wasser!
Ich fluchte, schaute der davonschwimmenden Waffe hinterher und entdeckte die im Schatten lauernden Gestalten. Sie beobachteten etwas, allerdings nicht auf, sondern unter der Brücke.
Im selben Moment, in dem ich begriff, worauf sie es abgesehen hatten, kletterte der Erste – ein maskierter Kerl in schwarzen Neoprenhosen und dunklem Shirt – hinter unseren Protegésüber die Brüstung, schnappte Susan und stürzte sich mit ihr ins Wasser. Hannes packten vier starke Arme. Trotz Gegenwehr hatte er keine Chance.
Lisas angstgeweitete Augen starrten mich flehend an. Paul und Sebastian waren mit ihren Gegnern beschäftigt, ich war ihre einzige Hoffnung, dem eisigen Wasser zu entkommen. Entschlossen, sie zu beschützen, stieß ich den Kerl unter mir weg, rappelte mich hoch, umfasste ihre Taille und zog Lisas schmächtigen Körper zu mir. Wenn sie Lisa mitnehmen wollten, mussten die Typen sie erst von mir trennen.
Sie schafften es problemlos, uns zusammen über die Brüstung zu werfen. Sobald wir die Wasseroberfläche durchbrachen, stürzten sich die unter der Brücke gebliebenen Neoprenhosenträger auf uns.
Klammern konnte ich prima, doch gegen so viele von ihnen war ich machtlos. Nachdem sie Lisa von mir weggerissen hatten, hielten mich zwei so lange fest, bis der Rest mit unseren Protegés hinter der nächsten Kanalbiegung verschwunden war. Kurz bevor mir die Luft ausging, ließen sie mich los und tauchten ab, während ich auftauchte, mich japsend an den Sockel der Brücke klammerte und meine Krallen samt Frust zurückdrängte: Mein Protegé war weg, die Waffe davongeschwommen und dann auch noch das mit dem Wasser – wenn es wenigstens Bade- und nicht Zähneklapper-Temperatur hätte.
Pauls Kopf erschien über der Brüstung. Nach der erfolgreichen Entführung hatten auch ihre Gegner die Flucht ergriffen.
»Bist du okay?«
»Mehr oder weniger«, krächzte ich. Die Kälte zeigte schon Wirkung.
»Soll ich runterkommen, oder schaffst du es allein nach oben?«
Schneller, als Paul zu mir fliegen konnte, war ich unterwegs.Dass er mich über die Steinmauer zog, konnte ich nicht verhindern. Dass er mich
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