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Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
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aufzunehmen?«
    »Ja«, stimmte Sebastian zu. »Ich glaub auch, dass wir nass werden.«
    Wieder schlossen die beiden mich aus. Ohne weitere Erklärung setzten sie sich an den Rand des Kanals, streckten ihre Hände in das kalte Wasser, schlossen die Augen und dösten vorsich hin – zumindest sah es für mich so aus. Dass sie versuchten, ihre Protegés zu erreichen, konnte ich nur ahnen.
    Wie auf Kommando standen sie auf, schauten einander kurz an, riefen gleichzeitig »San Gallo« und stürmten los.
    Einige verwinkelte Gassen, Kanäle, Stufen und schmale Brücken später erreichten wir einen kleinen Platz. Selbst ich erkannte den Ort nördlich des Markusplatzes und den mit weißen Steinen und flachen Ornamenten verzierten Brunnen mit der Metallabdeckung. Doch erst als Sebastian sich seiner Klamotten entledigte – auch er behielt seine Boxershorts an –, wurde mir klar, was die beiden vorhatten.
    Ohne mich !, dachte ich und zog nach kurzem Zögern Pauls Jacke, seine Hose und meine Schuhe aus – schließlich wollte ich die Prüfung bestehen. Mein halbtrockenes T-Shirt behielt ich an. Beim Tauchen störte es nicht.
    »Du bleibst erst mal hier oben, bis wir wissen, wie tief wir runtermüssen«, erklärte Paul, hängte mir seine Jacke über die Schultern und schnallte sich seinen MacGyver-Gürtel um. »Halt die Augen offen. Noch wissen wir nicht, ob wir richtig sind.«
    Ich verkniff mir das Hoffentlich nicht , sagte »Mach ich« und sah zu, wie Paul hinter Sebastian in den dunklen Schacht kletterte.
    Mein Herz pochte wild, als die Erinnerungen an das Reich der Totenwächterin wieder auflebten. Ich schüttelte sie ab. Die Totenwächterin wollte meine unreife Seele. Doch die gab es nicht mehr. Dort unten wartete Lisa auf mich – und sonst niemand!
    Pauls Kopf tauchte aus dem dunklen Loch auf. »Wir sind richtig. Drei Minuten ohne Luftholen – wenn du dir helfen lässt, nur eine. Schaffst du das?«
    »Klar«, erwiderte ich selbstsicherer, als ich war, und sprang vom Brunnenrand. Das Wasser umschloss meinen Körper wie Blitzeis. Fahlgraue Steinwände schossen an mir vorbei, währendPaul meine Taille umklammerte und mich in die Tiefe hinabriss. Hätte ich ihm nicht so viel Vertrauen entgegengebracht, wäre er jetzt zu meinem Gegner geworden. Seine zusätzliche Energie machte mich rasend. Meine Angst half, die Wut zu verdrängen.
    Die Dunkelheit war allgegenwärtig. Selbst als ich wieder Luft zum Atmen bekam, glaubte ich zu ersticken. Furcht schnürte mir die Kehle zu. Absolutes Schwarz umgab mich. Nur mein Kopf ragte aus dem eisigen Wasser. Ich zitterte nicht nur vor Kälte.
    Paul ließ mich los und beruhigte mich mit Worten. »Denk an den Maskenball. Stell dir vor, wir würden zusammen tanzen.« Er fand das richtige Stichwort: Maskenball. Auch Christopher würde dort sein. Ich musste nur die Prüfungen bestehen, wenn ich ihn wiedersehen wollte.
    Geleitet von Pauls von den Wänden widerhallenden Scherzen – er schaffte es tatsächlich, in jeder Situation Witze zu reißen –, folgte ich ihm und Sebastian durch ein unüberschaubares Tunnelsystem. Wie er sich in völliger Dunkelheit orientierte – Engelsflügel und Wasser vertrugen sich nicht besonders gut miteinander –, in andere Kanäle abbog, hinauf- oder hinabkletterte, überstieg meine Vorstellungskraft. Vielleicht half ihm das allumfassende Plätschern und Rauschen zu erkennen, welcher Teil überflutet war und welcher leer.
    Anfangs mussten wir oft schwimmen oder tauchen, weiter oben tapsten wir nur noch durch Rinnsale und Pfützen. Meine Furcht vor der Finsternis blieb. Die unendliche Angst, mich in Sanctifers Gewalt wiederzufinden, trieb mich weiter.
    Das bläuliche Leuchten wirkte beinahe erlösend. Leider versperrte ein massives Eisengitter, das die runde Öffnung verbarrikadierte, durch die das Licht schimmerte, unseren Weg.
    »Und was jetzt?«, fragte ich. »Umdrehen?«
    Sebastian sah mich verständnislos an. »Kurz vor dem Ziel?!Ich kann Hannes’ Ungeduld schon riechen.« Er schob mich zu Paul. »Bring sie in Sicherheit, ich erledige das allein«, sagte er über meinen Kopf hinweg und machte sich an seinem Gürtel zu schaffen.
    Während Paul mich ein paar Meter weiter hinten gegen die feuchte Wand drückte, bereitete Sebastian seinen MacGyver-Sprengstoff vor, füllte ein kleines Blasrohr, das er ebenfalls aus seinem Gürtel gezaubert hatte, und zielte auf das versiegelte Schloss.
    Ein lauter Knall, beißender Gestank, ein Quietschen, und das Gitter sprang

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