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Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
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Teile, um den Besitzer des Bandes zu finden.
    Ich krallte meine Finger in die tiefste Wunde. Der körperliche Schmerz bewahrte mich davor, mich in meinem Zorn zu verlieren. Drei Anläufe brauchte ich, um die volle Tragweite von Sanctifers Brief zu erfassen, ohne in den körperlichen Schmerz flüchten zu müssen.
    Sanctifer beobachtete mich, sah sich schon jetzt als mein Lehrmeister, und das Schlimmste – Christopher war bei ihm.
    Mein Magen rebellierte. Das Abendessen landete in dem kleinen Waschbecken in dem winzigen Badezimmer nebenan. Verzweifelt sackte ich zusammen. Was hatte er ihm angetan?!
    Düstere Bilder von dunklen Verliesen tauchten vor meinem geistigen Auge auf. Ein Monster mit blutunterlaufenen, jadegrün glühenden Augen, die Haut geschwollen von pulsierenden Adern, brüllte seinen Schmerz in mein Herz.
    Sanctifer kannte Christophers Schwächen wie kein anderer. An das Wächterband zu kommen würde ihm nur gelingen, wenn Christopher in Sanctifers Gewalt war – in seiner verletzbarsten Form: als Schattenengel.
    Ich konnte kaum atmen. Erneut drückte ich meinen Finger in die tiefste Wunde. Der Schmerz zwang mich, zu kämpfen: gegen Sanctifer, meine Wut und meine Verzweiflung. Erst als mein Verstand wieder klarer wurde, bekam ich Luft. Das Band könnte gefälscht sein, auch wenn es dem von Christopher unglaublich ähnlich sah. Sanctifer war ein Wächterengel – und ein Meister der Täuschung. Aber ich würde nicht noch einmal auf einen seiner Tricks hereinfallen. Ihn jedoch glauben zu lassen, ich wäre bereit, sein hässliches Spiel mitzuspielen, das konnte ich.
    Sebastian begrüßte mich mit dummen Sprüchen über Augenringe, als er mir gegenüber Platz nahm.
    »Hast du die Nacht durchgefeiert? Deine Tanzpartner werden denken, sie tanzen mit deinem Schatten, wenn du so weitermachst.«
    Obwohl ich mich einigermaßen beruhigt und mir, falls ich Sanctifer begegnen sollte, einen Plan zurechtgelegt hatte – die Anspielung auf den Schattenengel ging zu weit. Wütend klatschte ich Sebastian die mit Honig beschmierte Brötchenhälfte ins Gesicht. Die Pupillen in seinen blaugrünen Augen weiteten sich, doch noch bevor er zurückschlagen konnte, sprang Paul von der Bank, drehte mir die Arme auf den Rücken und hielt mich fest.
    »Sebastian, wenn du sie jetzt verprügelst, wird keiner von uns die Prüfungen beenden. Wir sind ein Team und müssen gemeinsam bestehen.«
    Sebastians Augen blitzten weiter, doch er hielt seinen Ärger besser unter Kontrolle als ich. Ein gesäubertes Gesicht und zwei Atemzüge später verschränkte er die Arme vor der Brust und entspannte sich.
    Paul löste seinen Griff, blieb aber hinter mir stehen und umfasste meine Schultern, damit ich sitzen blieb – er traute mir nicht.
    »Was ist passiert?«, fragte er leise, nur für mich hörbar. Meine Einlage hatte Aufmerksamkeit erregt.
    »Nichts«, log ich. »Ich hab einfach nur keine Lust auf dumme Sprüche.«
    Paul glaubte mir nicht. Mit dem Gespür eines Wächterengels suchten seine Hände meine Schultern ab und wanderten weiter, meine Oberarme entlang. Als er Christophers Band unter seinen Fingern spürte, hielt er die Luft an, schluckte und ließ mich los.
    »Später«, flüsterte er. »Sebastian mit Honig im Gesicht zu sehen war schon immer ein Traum von mir«, sagte er lauter und setzte sich mit einem aufgesetzten Grinsen wieder neben mich.
    Der maskierte Engel, der mit seinem Gefolge die Kantine betrat, ließ uns den Streit vergessen. Die Spielregeln waren wichtiger, als das letzte Wort zu behalten.
    »Angehende Schutzengel müssen mit ihren Protegés vertraut sein. Seit zwei Tagen bildet ihr ein Team und konntet sehen, wie die euch Anvertrauten reagieren. Schützt sie, verbindet euch und trefft eure Wahl. Des stärksten Teams Anemone strahlt bis zuletzt.«
    Sebastian seufzte. »Schon wieder so kryptisches Zeugs«, beschwerte er sich.
    »Nicht halb so kompliziert wie gestern. Entweder sie schicken uns ins Grüne oder unter Wasser«, erklärte Paul.
    Lisa und ich bekamen gleichzeitig Gänsehaut. Sie schien Wasser genauso wenig zu mögen wie ich.
    »Wie kommst du denn darauf?«, fragte Susan mit belegter Stimme. Ihre Nervosität war spürbar. Kein Wunder, dass auch sie Wasser nicht sonderlich mochte – schließlich war sie unter dem vereisten See vor dem Schlossinternat ertrunken.
    »Anemonen gibt es auf Wiesen oder im Wasser. Wo sonst sollen wir eine zum Strahlen bringen?«
    Wie befürchtet ging es aufs Wasser. Wir blieben in der

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