Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
Vom Netzwerk:
auf. Weitere graue Steinwände stürzten in die Tiefe. Wir standen ganz oben in einer der vergitterten Öffnungen, die den zylinderförmigen Raum wie einen Schweizer Käse durchlöcherten. Gigantische Schrauben, wie von Geisterhand bewegt, wanden sich nach oben und förderten Wasser in das Kanalsystem oder suchten eine andere Öffnung, die geflutet werden sollte. Das Ächzen der gigantischen Gewinde, gemischt mit dem gespenstischen Flüstern des abfließenden Wassers, hallte bedrohlich im Hohlraum des Wasserspeichers wider – und beförderte mich ins Reich meiner Träume: Genau so klangen die Schreie gequälter Geister in meinen Albträumen.
    »Was … was ist das?«, flüsterte ich heiser.
    »Eine der hundert Zisternen«, antwortete Paul sachlich.
    »Das … meinte ich nicht.«
    Sebastians dunkles Lachen durchbrach das unheimliche Geächze. »Du stehst hier oben, um deinen Protegé zu befreien, und hast Schiss vor schlecht gewarteten Gewinden? Na, dann viel Spaß beim Tauchen. Wenn du heute ein Ticket bekommen willst, solltest du sie ohne Hilfe raufholen.«
    Erst jetzt entdeckte ich die anemonenförmigen Gebilde über dem blau leuchtenden Grund des Wasserspeichers. Umschlossen von zartweißen Blütenblättern, warteten unsere Protegés darauf, aus ihrer Gefängnisblase befreit zu werden.
    Mehrere tiefe Atemzüge später sprang ich Sebastian hinterher. Die frostige Kälte erschwerte das Tauchen. Meine Arme und Beine fühlten sich an, als wären sie gelähmt. Ich zwang sie trotzdem, sich zu bewegen, und hielt auf Lisa zu. Für mich gab es nur einen Versuch. Hochfliegen, um noch mal von oben reinzuspringen, konnte ich nicht.
    Neben mir erschien Paul. Er kramte in seinem Gürtel, holte ein winziges rosa Stück MacGyver-Kaugummi heraus, teilte es, schloss kurz die Augen, um sich zu konzentrieren, und hielt es mir vor die Nase.
    Meine Finger kribbelten, als ich es nahm. Pauls Engelsmagie drängte sich mir auf. Bevor ich dem Kaugummi seine Wirkung entzog, drückte ich das explosive Teil in die Mitte der Blüte. Ein leichtes Vibrieren, das mich vorsichtshalber zurückweichen ließ, und das kunstvoll verzierte Schloss sprang auf. Ansonsten passierte nichts – außer dass mir langsam die Luft ausging.
    Pauls Anemone erblühte, begann zu leuchten, öffnete sich und entließ Susan und die sie umgebende Luftblase. Sebastians Blume folgte. Nur Lisa saß noch fest.
    Paul gab mir Zeichen, dass ich meine Hände auf die freigesprengte Öffnung legen sollte. Ich kämpfte mich wieder tiefer. Lisa und Luft zum Atmen waren Ansporn genug. Als ich die Ränder der Blüte berührte, explodierten meine Hände. Engelsmagie in ihrer reinsten Form schoss durch meinen Körper und befreite Lisa und den eingeschlossenen Sauerstoff.
    Mein Verstand setzte aus, der Schmerz überdeckte alles. Schwarze Nebelfetzen, durchsetzt mit kleinen Blubberblasen, begleiteten mich auf meinem Weg nach oben. Paul packte mich am Kragen, damit ich nicht wieder unterging. Seine Berührung trieb mich erneut über die Kante. Zum Glück war Paul vorgewarnt und schneller als ich. Während er hinter den anderen in die gerade von Sebastian freigesprengte Kanalöffnung kletterte, kühlte ich mein erhitztes Gemüt in dem eiskalten Wasser.
    Lisa übergab mir eine winzige Nachbildung ihres Unterwassergefängnisses. Wie Pauls und Sebastians Blüte leuchtete die Minianemone in zartem Gelb. Diejenigen, deren Blume noch strahlen würde, wenn wir das Tunnelsystem verließen, hatten die Prüfung bestanden.

Kapitel 31
Versteckspiel
    D as Licht der Anemone verscheuchte einen Teil der Dunkelheit. Orientieren konnte ich mich dennoch nicht – aber schließlich gab es ja Paul. Zielsicher führte er uns durch das düstere Tunnelsystem.
    Ich bildete das Schlusslicht und versuchte, das unheimliche Tropfen, Schaben und Kratzen samt den gespenstischen Schatten, die unsere Anemonenlichter überdimensional an die Wand warfen, auszublenden.
    Susans gellender Schrei durchbrach meinen fragilen Schutzmantel. Lisas gequälter Hilferuf, begleitet von auf Stein trappelnden Krallen, jagte mir Gänsehaut über den Rücken. In Rekordzeit steckte ich die Minianemone in meinen Ausschnitt und bereitete mich auf einen Kampf vor.
    Zigarettenglutfarbene Punkte flammten auf, trippelten weiter, verschwanden und erschienen an einer anderen Stelle. Etwas Ledriges peitschte mir gegen die Beine. Auch mir entfuhr ein lautes Stöhnen, als ein flammender Stich meine Wade in Brand setzte. Vielleicht hätte ich mir die

Weitere Kostenlose Bücher