Tanz der Hexen
Alles, was rasseln konnte, bewegte sich, und der Lärm wurde zu einem feinen Murmeln – Flaschen klirrten, Glöckchen klingelten, Blendläden schlugen im Wind -, und dann begann dieses winzige Baby sich vor meinen Augen zu verändern. Es koordinierte die Bewegungen seiner Gliedmaßen, und der Ausdruck in dem kleinen Gesicht wurde bösartig oder doch wenigstens erwachsenenartig.
Es war kein Säugling mehr, sondern ein scheußlicher Homunkulus, denn es hatte sich zwar körperlich nicht verändert, aber ein erwachsener Mann steckte darin und manipulierte es, und jetzt sprach es mit gurgelnder Stimme: »Ich bin Lasher. Sieh mich hier.«
»Wachse, wachse und werde stark!« befahl Marguerite und reckte beide Fäuste in die Höhe. »Julien, befiehl ihm, zu wachsen. Blicke starr auf Arme und Beine. Befiel ihnen, zu wachsen.«
Ich tat es, und entgegen all meinem Glauben sah ich, wie die kleinen Arme und Beine länger wurden. Ja, die Augen des Säuglings, die bei der Geburt hellblau gewesen waren, waren plötzlich dunkelbraun, und das Haar wurde langsam dunkler, als sauge es sich mit einer schwarzen Flüssigkeit voll.
Die Haut hingegen wurde nach und nach fahler; Farbe pulsierte in den Wangen. Einen Augenblick lang streckten sich die Beine wie Tentakel. Und dann starb das kleine Ding. Starb einfach. Stieß einen Schrei aus und starb.
Marguerite raffte es vom Bett und schleuderte es in den Spiegel der Kommode. Das Kind zerspritzte auf der Scheibe in Blut und Gedärm, zerbrach aber das Glas nicht; es rutschte daran herunter und landete auf der Kommode, ein namenloses totes Kind inmitten ihrer Parfüms, Lotionen und Kämme.
Wieder erbebte das Zimmer. Er war ganz nah, und dann war er weg, und die Kälte war rings um uns herum. Es war, als habe Lasher die balsamische Wärme mit sich fortgenommen.
Sie setzte sich hin und weinte. »So ist es immer. Wir kommen so weit, und dann ist das Gefäß zu schwach, um ihn zu tragen. Er zerstört, was er verändert. Wie wird er jemals Fleisch werden? Und jetzt ist er von dem, was er getan hat, so müde, daß er nicht zu uns kommen kann. Wir müssen warten und ihn treiben und sich sammeln lassen; man kann nichts dazu tun.«
Ich war wie gebannt von dem, was ich gesehen hatte. Ich wollte hinausgehen und es aufschreiben. Sie hielt mich auf.
»Was können wir tun, um ihn Fleisch werden zu lassen?« fragte sie.
»Nun, zunächst einmal versuche es nicht mehr mit einem Säugling. Versuche es mit dem Körper eines Mannes. Suche dir jemanden, der geistig und vielleicht auch körperlich beeinträchtigt ist, jemanden, der dem Tode schon nah ist und der nicht mehr Widerstand leisten kann als ein Säugling. Und dann sieh zu, ob Lasher hineinfahren kann.«
»Ah, aber er hat gesagt, er muß aus einem kleinen Kind wachsen. Aus einem kleinen Kind wie dem Säugling in der Krippe.«
»Lasher hat das gesagt? Wann denn?« Ich merkte mir dies wie alle seine kleinen Versprecher.
»In einem kleinen Kind wird er geboren werden von der mächtigsten aller Hexen, aber dieses Kind wird klein sein wie das Christkind. Doch, ah, könnten wir ihn nur jetzt ins Fleisch bringen – denk dir nur, was wir tun könnten! Und dann… und dann könnten wir auf die gleiche Art sogar Tote wieder zum Leben erwecken!«
»Meinst du?«
»Komm her«, sagte sie. Sie nahm mich bei der Hand, fiel auf die Knie und zog eine kleine Truhe unter dem Bett hervor. Darin lagen Puppen, Puppen aus Knochen und Haaren mit sorgfältig genähten Kleidern. Wohlgemerkt, Michael, sie waren nicht so verrottet, wie sie waren, als Sie sie gesehen haben. Sie waren in Spitze gewickelt, manche sogar mit wunderschönen Juwelen und Perlen geschmückt, und sie spähten uns mit ihren winzigen Augen entgegen.
»Das sind die Toten«, sagte sie. »Siehst du? Hier, Marie Claudette.« Sie nahm eine kleine Puppe mit grauen Haaren in einem roten Taftkleid in die Hand; sie war anscheinend aus einem Strumpf gemacht und mit etwas gefüllt, das sich anfühlte wie Kieselsteine. »Abgeschnittene Fingernägel von ihr, ein Knochen aus ihrer Hand, den ich aus dem Grab genommen habe, und ihre Haare, viele Haare – daraus ist diese Puppe gemacht. Und binnen einer Stunde nach ihrem Tod habe ich den Speichel aus ihrem Mund genommen und das Gesicht der Puppe damit getränkt, und das Blut, das sie erbrochen hat, habe ich unter dem Kleid auf die Puppe geschmiert. Jetzt nimm sie in die Hand, und du wirst sehen, daß sie hier ist.«
Sie legte die Puppe in meine Hände, und in
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