Tanz der Hexen
uns dieses Geheimnis mit.
Wenn ich nicht mit meinen Experimenten beschäftigt war, war ich mit Katherine zusammen; ich führte sie nach New Orleans in die Oper, zum Ballett oder ins Theater; ich zeigte ihr die feinen Restaurants und ging mit ihr spazieren, damit sie die wirkliche Welt zu sehen bekam, was eine Dame ohne Begleiter praktisch nicht konnte. Sie war wie immer unschuldig und voller Liebe, zierlich, dunkel und vielleicht auch ein bißchen einfältig.
Allmählich dämmerte mir, daß wir mit unserer Inzucht gewisse Schwächen gefördert hatten. Ich begann, diese Dinge unter meinen Verwandten zu studieren, und eine gewisse charmante Art von Schwachsinn gehörte auf alle Fälle dazu. Auch gab es unter uns viele mit Hexentalenten und einige sogar, die ein Hexenmal trugen – ein schwarzes Muttermal oder sonst ein Geburtsmal von eigenartiger Form, oder einen sechsten Finger. Ja, der sechste Finger war sogar ziemlich verbreitet und konnte verschiedenerlei Gestalt annehmen. Mal war er ein winziges Glied, das außen an der Handkante sproß, dem kleinen Finger benachbart. Dann wieder saß er neben dem Daumen, oder er war tatsächlich ein zweiter Daumen. Aber wo immer er auftauchte, Sie können sicher sein, daß jemand sich dessen schämte.
Inzwischen hatte ich vor der Nase des Dämons die Geschichte Schottlands gelesen, höchstwahrscheinlich ohne daß er überhaupt etwas gemerkt hatte.
Donnelaith war als Stadt ohne Bedeutung. Aber es gab ein paar alte Geschichten, denen zufolge das einmal anders gewesen war; einst hatte dort eine große Kathedrale gestanden. Ja, es hatte eine Schule und einen großen Heiligen in jener Gegend gegeben, und die Katholiken waren meilenweit gereist, um an seinem Grab zu beten.
Ich bewahrte mir diese Kenntnisse für die Zukunft auf. Ich würde hinfahren. Ich würde die Geschichte dieser Leute von Donnelaith ergründen.
Meine Mutter lachte über all das nur. Und im Schütze der Musik sagte sie: »Stell ihm Fragen. Du wirst bald entdecken, daß er niemand und alles zugleich ist und aus der Hölle kommt. So einfach ist das.«
Ich brachte es bei ihm zur Sprache.
Und richtig, was sie gesagt hatte, stimmte. Ich fragte etwa: »Wer hat die Welt erschaffen?« Dann redete er über Nebel und Land und Geister, die immer schon dagewesen seien. Ich sagte dann: »Und Jesus Christus – hast du seine Geburt miterlebt?« Er antwortete, es habe keine Zeit gegeben, wo er gelebt habe, und er habe nur die Hexen gesehen.
Ich sprach von Schottland, und das Wesen weinte um Suzanne, und es erzählte mir, daß sie in Angst und Schmerzen gestorben sei, und Deborah habe mit ernsten Augen gewacht, bevor die bösen Zauberer aus Amsterdam sie entführt hätten.
»Wer waren diese Zauberer?« fragte ich, und der Dämon antwortete: »Das wirst du bald genug erfahren. Sie beobachten dich. Hüte dich vor ihnen, denn sie wissen alles und können dir Schaden bringen.«
»Warum tötest du sie nicht?« fragte ich.
»Weil ich wissen will, was sie wissen, und weil es keinen vernünftigen Grund dafür gibt. Aber hüte dich vor ihnen. Sie sind Alchimisten und Lügner.«
»Wie alt bist du?«
»Alterslos.«
»Warum warst du in Donnelaith?«
Schweigen.
»Wie bist du dort hingekommen?«
»Suzanne rief mich. Das habe ich dir schon gesagt.«
»Aber du warst schon vor ihr da.«
»Es gab kein Da vor Suzanne.«
Und so ging es immer weiter – faszinierend, aber ohne wirkliche Fortschritte in der Geschichte, und ohne ein brauchbares Geheimnis zu erhellen.
»Es ist Zeit, daß du zu deiner Mutter gehst und ihr hilfst. Deine Kraft wird benötigt.«
Das bedeutete natürlich, ich sollte Marguerite bei ihren Experimenten helfen. Also schön, dachte ich.
Ich folgte Lasher in ihre Gemächer. Sie war eben mit einem Säugling gekommen, schwach, aber noch lebendig; die Mutter, eine Sklavin, hatte das Kind vor der Kirchentür abgelegt. Es weinte, ein winziges braunes Geschöpf mit braunem Kraushaar und einem kleinen, rosigen Mund, der einem das Herz brechen konnte. Es war so klein, daß es vermutlich nicht lange leben würde. Meine Mutter war entzückt.
Sie schloß die Tür, zündete die Kerzen an, kniete neben dem Kind nieder und lud Lasher ein, hineinzufahren.
Mit machtvollem Gesang trieb sie den Dämon voran. »In seine Glieder; sieh mit seinen Augen, sprich mit seinem Mund, lebe in seinem Atem und seinem Herzschlag.«
Das Zimmer schien anzuschwellen und sich zusammenzuziehen, was es natürlich in Wirklichkeit nicht tat.
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