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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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einem kurzen Aufblitzen sah ich die lebende Marie Claudette! Der Schock ließ mich zurücktaumeln. Ich starrte das Stoffding in meinen Händen an; ich drückte es noch einmal, und da stand sie einen Augenblick lang reglos vor mir und starrte mich an. Ich rief sie, und dann tat ich es wieder und wieder – beschwor sie herauf, sah sie, rief sie und verlor sie wieder.
    »Das ist nichts«, sagte ich. »Sie ist nicht hier.«
    »Doch, doch, sie ist es, und sie spricht mit mir.«
    »Das glaube ich nicht.«
    Noch einmal drückte ich die Puppe und sagte: »Grandmère, sag mir die Wahrheit.« Da hörte ich eine winzige Stimme in meinem Kopf: »Julien, ich liebe dich.« Natürlich wußte ich, daß es nicht Marie Claudette war, die da sprach. Es war Lasher, aber wie sollte ich das beweisen?
    Ich tat etwas Waghalsiges. So laut, daß meine Mutter es hören konnte, rief ich: »Marie Claudette, Marie Claudette, geliebte Grandmère, erinnerst du dich noch an den Tag, da die Kapelle spielte und wir mein kleines Holzpferd im Garten begruben? Weißt du noch, wie ich weinte, und entsinnst du dich an das Gedicht, das du mich damals lehrtest?«
    »Ja, ja, mein Kind«, sagte die Stimme, und das Bild, das Mutter und ich sehen konnten, hielt länger stand als zuvor, eine anmutige Vision von Marie Claudette, wie ich sie zuletzt gesehen hatte.
    »Das Gedicht«, sagte ich. »Hilf mir, mich daran zu erinnern.«
    »Denke zurück, mein Kind, und du wirst dich erinnern«, antwortete der Geist.
    »Ah ja«, rief ich. ›»Holzpferdchen, Holzpferdchen, lauf in den Himmel‹!«
    Ja, sagte sie und wiederholte den Vers mit mir.
    Ich schleuderte die Puppe zu Boden. »Was für ein Unfug«, erklärte ich. »Ich habe nie ein Holzpferdchen besessen. Ich hatte nie etwas übrig für solche Sachen. Ich habe nie eines im Garten begraben und nie ein dummes Gedicht dazu gelernt.«
    Der Dämon geriet in Raserei. Meine Mutter streckte schützend die Hände über mich. Alles flog umher… Möbel, Flaschen, Gläser, Bücher. Es war schlimmer als die Federn, und dann prasselte alles auf uns herab.
    »Halt ein!« rief meine Mutter. »Wer soll denn Katherine beschützen?«
    Es wurde still.
    »Werde nicht mein Feind, Julien«, sagte das Wesen.
    In diesem Augenblick hatte ich Todesangst. Ich hatte meinen Beweis geführt. Das Wesen war ein Lügner. Es war kein Hüter geheiligter Weisheiten. Und es konnte mich töten, so sicher, wie es meine Feinde getötet hatte, und ich hatte es sehr zornig gemacht.
    Aber ich war gerissen. »Also gut, du willst Fleisch werden?«
    »Ich will Fleisch werden, ich will Fleisch werden, ich will Fleisch werden!«
    »Dann werden wir unsere Experimente ernsthaft fortführen.«
    Sie haben die Früchte dieser Jahre selbst gesehen, Michael. Als Sie in dieses Haus kamen, haben Sie die verrotteten Menschenköpfe in ihren Gläsern schwimmen sehen. Sie haben die Säuglinge in dunkler Flüssigkeit gesehen – die ganze Summe unserer Erfolge.
    Ich will mich also kurz fassen, was diese düsteren Dinge angeht und das, was wir taten, was ich tat – aus Angst vor dem Wesen, während ich zugleich zusehen mußte, wie ich selbst tiefer und tiefer im Bösen versank.
    Inzwischen schrieben wir das Jahr 1847. Katherine war ein geschmeidiges Geschöpf von siebzehn Jahren, von Verwandten und von Fremden gleichermaßen umworben, ohne aber das Verlangen nach Heirat erkennen zu lassen. Tatsächlich war es der Höhepunkt des frevelhaften Vergnügens für das Mädchen, wenn ich es als Knaben verkleidete und zu den Mestizenbällen und in die Bars am Fluß mitnahm, in die eine brave weiße Dame keinen Fuß setzen durfte. Das alles bedeutete Spaß und Spannung für sie, und mir machte es auch Vergnügen, diese schmutzige, verkommene Welt durch ihre hübschen Augen zu sehen…
    Aber! Während all dies seinen Lauf nahm und während die Stadt reich wurde und von Jahr zu Jahr mehr Abwechslungen zu bieten hatte, brachten Marguerite und ich dem Dämon in der Abgeschiedenheit ihres Arbeitszimmers die furchtbarsten Opfer.
    Unser erstes nennenswertes Opfer war ein Voodoo-Doktor, ein Mulatte mit gelbem Haar, sehr alt, aber immer noch stark; wir entführten ihn von seiner Haustür weg und brachten ihn nach Riverbend, überhäuften ihn mit blumigen Worten und Wein und machten ihm weis, daß wir hören wollten, was er über Gott und den Teufel wisse.
    Er sei schon von so manchem Geist besessen gewesen, behauptete er. Wir redeten über Voodoo, erzählten dummes Zeug und Lügen. Schließlich

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