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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Gutdünken.
    Als ich fünfzehn war, sprach ich sieben Sprachen und konnte in allen auch sehr gut schreiben, und dazwischen war ich der inoffizielle Aufseher und Verwalter der gesamten Pflanzung. Mein Cousin Augustin wurde eifersüchtig auf mich, und in einem Wutanfall erschoß ich ihn.
    Es war ein furchtbarer Augenblick.
    Ich hatte nicht vorgehabt, ihn zu ermorden. Im Gegenteil, er war es gewesen, der die Pistole gezogen und mich damit bedroht hatte; in meiner Wut riß ich sie ihm aus der Hand und feuerte ihm die Kugel in die Stirn. Niemand hätte überraschter sein können als ich. Nicht einmal er, wohin er auch gegangen sein mochte – denn ich sah wohl, wie seine Seele emporstieg; verblüfft starrte sie mich aus einer verschwommen menschlichen Gestalt an, ehe sie verschwand.
    Die ganze Familie versank im Chaos. Die Cousins flüchteten in ihre Cottages, die Vettern aus der Stadt in ihre Häuser in New Orleans - ja, die Plantage stellte in der Trauer um Augustin den Betrieb ein, der Priester kam und die Beerdigungsvorbereitungen begannen.
    Ich saß weinend in meinem Zimmer und bildete mir ein, man werde mich für mein Verbrechen bestrafen, aber sehr bald begriff ich, daß nichts dergleichen geschehen würde.
    Niemand würde mich anrühren. Alle hatten Angst, sogar Augustins Frau und seine Kinder. Sie waren gekommen, um mir zu sagen, sie wüßten, daß es »ein Unfall« gewesen sei, und wollten nicht riskieren, bei mir in Ungnade zu fallen.
    Meine Mutter verfolgte das alles mit erstauntem Blick, aber sie interessierte sich kaum dafür. »Jetzt kannst du alles führen, wie du es willst«, sagte sie nur.
    Und der Geist kam; er stieß mich spielerisch in die Rippen, entzückt darüber, daß er mir die Schreibfeder aus der Hand schlagen und mich mit seinem Grinsen im Spiegel erschrecken konnte.
    »Julien«, sagte er, »ich hätte es im stillen für dich erledigen können! Leg deine Pistole weg. Du brauchst sie nicht.«
    »Kannst du so leicht töten?«
    »Gelächter.«
    Da erzählte ich ihm von zwei Feinden, die ich mir gemacht hatte – der eine ein Lehrer, der meine geliebte Katherine beleidigt hatte, der andere ein Kaufmann, der uns frech betrogen hatte. »Töte sie«, sagte ich.
    Der Dämon tat es. Innerhalb einer Woche nahmen sie beide ein schlimmes Ende – einer geriet unter die Räder einer Kutsche, der andere stürzte vom Pferd.
    »Es war leicht«, sagte der Dämon.
    »Das sehe ich«, antwortete ich. Ich war trunken von meiner Macht. Vergessen Sie nicht, ich war erst fünfzehn, und das alles war vor dem Krieg, zu einer Zeit, da wir noch ganz isoliert von der Welt ringsum waren.
    Augustins Nachkommenschaft verließ unser Land. Sie zogen tief ins Bayou-Land und gründeten die wunderschöne Plantage Fontrevault. Aber das ist eine andere Geschichte. Irgendwann müssen Sie einmal die Uferstraße hinauffahren, über die Sunshine Bridge und in diese herrliche Gegend, und dort müssen Sie sich die Ruinen von Fontrevault anschauen, denn dort ist viel geschehen.
    Aber jetzt will ich nur sagen, daß ich mich mit Tobias, Augustins ältestem Sohn, niemals versöhnt habe. Er war ein kleines Kind, als der tödliche Schuß fiel, und sein Haß gegen mich blieb auch in späteren Jahren groß, obgleich auch sein Zweig der Familie wohlhabend war und den Namen Mayfair behielt, und auch wenn seine Nachkommen sich mit unseren Nachkommen verheirateten. Wie Sie wissen, entstammt Mona diesem Zweig.
    Um aber nun zu unserem Alltagsleben zurückzukehren: Katherine wurde immer schöner, während Marguerite mehr und mehr dahinwelkte, als zapfe ihre Tochter ihr die Lebensenergie ab. In Wirklichkeit geschah nichts dergleichen.
    Marguerite war nur verrückt von ihren Experimenten, von den Versuchen, tote Säuglinge wieder lebendig zu machen, Lasher einzuladen, in ihr Fleisch zu fahren und ihre Gliedmaßen zu bewegen. Aber nie konnte er die Seele selbst wiederherstellen. Der bloße Gedanke war lächerlich.
    Gleichwohl drang sie in große Tiefen vor und zog mich mit sich in ihre Magie. Aus der ganzen Welt ließen wir uns Bücher schicken. Die Sklaven kamen zu uns und baten um Medizin für alle erdenklichen Krankheiten. Und wir wurden stärker und stärker, so daß wir bald imstande waren, viele gewöhnliche Leiden durch einfaches Handauflegen zu kurieren. Lasher war stets unser Verbündeter bei alledem, und wenn der Dämon den geheimen Grund für die Krankheit eines Betroffenen kannte - etwa, weil er versehentlich vergiftet worden war -, teilte er

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