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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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war er reif, seinen mächtigen Gott willkommen zu heißen: Lasher.
    Wir verriegelten die Türen zu Marguerites Zimmern und riefen Lasher herab in diesen Mann, der sich aus freien Stücken der Besessenheit hingab.
    Zunächst lag die Kreatur ganz still, ein alter Mann mit dürren Knochen, sehr fahler Haut, sehr gelben Haaren – doch als er dann die Augen öffnete, sahen wir fremdes Leben darin! Die Augen richteten sich auf uns, und der Mund bewegte sich, und eine Stimme, die tiefer klang als die des Mannes zuvor, aber doch aus derselben Kehle kam, sagte: »Ah, meine Geliebten, ich sehe euch.« Die Stimme klang flach und schaurig. Aber sie tönte laut aus diesem Mund, und die Augen der Kreatur blickten wild und dumm.
    »Richte dich auf!« befahl Marguerite. »Sei stark! Ergreife Besitz!« Sie drängte mich, die Worte mit ihr zusammen zu wiederholen, und wir taten es und blickten dabei starr auf dieses Ding.
    Der Mann erhob sich und streckte die Arme aus; dann ließ er sie schlaff herunterbaumeln und wäre fast vornübergekippt. Mühsam rappelte er sich auf, doch dann fiel er wirklich hin. Wir stürzten ihm entgegen, um ihn aufzufangen. Seine Finger zappelten in der Luft, und dann schloß sich eine Hand um meinen Hals, was mir nicht besonders gefiel; ich wußte aber, daß er zu schwach war, um mir etwas anzutun. Mit seiner furchtbaren Stimme sagte er:
    »Mein geliebter Julien.«
    »Nimm Besitz von diesem Wesen für alle Zeit!« rief Marguerite. »Nimm diesen Körper, als hättest du das Recht dazu.«
    Da fing der ganze Körper an zu zittern, und vor meinen Augen fingen die Haare der Kreatur an, sich dunkler zu färben, wie es zuvor auch bei dem Säugling geschehen war. Das Gesicht war wild verzerrt.
    Dann kippte uns der arme alte Körper tot in die Arme, und wenn der alte Mann noch einmal für einen Augenblick darin war, so merkten wir nichts davon.
    Aber nachdem wir ihn auf das Bett gelegt hatten, untersuchte Marguerite ihn sorgfältig. Sie zeigte mir Flecken seiner Haut, die weiß geworden waren, und einzelne Partien in seinem Haar, die deutlich dunkler waren, als sei von innen her irgendeine Kraft hervorgebrochen, die diese Dinge verändert hatte.
    »Was fangen wir mit alldem an, Mutter? Wir müssen es vor der Familie geheimhalten.«
    »Natürlich«, sagte sie. »Aber erst nehmen wir ihm den Kopf ab, um ihn aufzuheben.«
    Erschöpft sank ich zusammen und lehnte mich an die Wand; mit übereinandergeschlagenen Beinen sah ich schweigend zu, wie sie dem Mann langsam mit einem Beil den Kopf abtrennte. Dann sah ich, wie sie das Ding in die chemische Flüssigkeit versenkte, die sie erst kürzlich für solche Zwecke erworben hatte, und das Glas verschloß. Die Augen des Mannes starrten mich an.
    Inzwischen hatte Lasher seinen Verstand wieder beisammen, falls man es so nennen konnte. Und er stand neben ihr in Gestalt eines kräftigen Mannes. Ich erinnere mich klar und deutlich an diesen Augenblick – wie der Dämon dastand, mit großen Augen, beinahe niedlich, und Marguerite, die den Deckel auf das Glas klemmte, es ans Licht hielt und mit dem Kopf darin wie mit einem Baby redete: »Gut gemacht, mein kleiner Kopf, gut gemacht.«
    Dann setzte sie sich an ihren Tisch und fing an zu kritzeln und sich künftige Experimente auszudenken.
    Michael, als Sie in dieses Haus kamen und die Gläser sahen, da haben Sie alles gesehen, was bei diesen magischen Experimenten je herauskam. Mehr gab es nicht. Aber woher sollten wir das wissen?
    Mit jedem neuen Opfer wurden wir verschlagener und dreister, aber auch hoffnungsvoller: wir lernten, daß der Körper stark sein mußte, nicht alt, und daß ein junger Mann ohne Familie und Heim uns die besten Aussichten bot.
    Ich lebte in Angst davor, daß Katherine es herausbekommen könnte. Katherine war meine Freude. Manchmal saß ich da, schaute sie an und dachte: Wenn du nur wüßtest – und doch konnte ich mich nicht losreißen von meiner Mutter oder diesem Wesen. Vielleicht war Katherine mein unschuldiges Ich, das Kind, das ich nie gewesen war, das Gute, das ich nie hatte sein wollen. Ich liebte sie.
    Was meine Machenschaften mit dem Dämon anging, so machten sie mir Spaß. Ich hatte insgeheim Vergnügen daran, die Opfer zu fangen und nach Hause zu holen, sie die Treppe hinaufzuführen und dazu zu verleiten, daß sie sich zu brauchbaren Gefäßen machten. Jeder Versuch brachte machtvolle Erregung. Die flackernden Kerzen, das Opfer auf dem Bett, die Besessenheit – das alles war hypnotisch.
    Auch

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