Tanz der Hexen
war seit drei Stunden tot, als Mona kam. Natürlich hatten sie nach ihr gesehen. Sie hatten sie angeleuchtet, und die Schwester sagte, sie habe sie nicht wecken wollen.
Niemand hatte irgend jemanden dieses Zimmer betreten sehen. Es war absolut privat.
Leslie Ann Mayfair rief alle Frauen der Familie an.
Als Mona sich schließlich von ihren Umarmungen und Küssen befreien konnte, verschwand sie auf ihr Zimmer und verriegelte die Tür. Dann riß sie sich wie in Raserei das weiße Kleid und die Haarschleife herunter.
Selbstverständlich konnte sie Michael nicht anrufen, es ihm sagen und ihn bitten, zu ihr zu kommen. Das Telefon war natürlich dauernd belegt.
In Slip und BH durchwühlte sie den Wandschrank nach besseren Sachen. Es waren keine da. Sie schloß ihre Tür auf und ging über den Flur hinüber zu Moms Zimmer. Niemand bemerkte sie. Die Gespräche hallten wie ein Tosen über die Treppe herauf. Draußen wurden Autotüren zugeschlagen. Irgendwo weinte die uralte Evelyn, laut und schrecklich.
CeeCees Schrank. CeeCee war keine einssechzig groß gewesen, und so groß war Mona inzwischen auch beinahe. Sie wühlte durch Kleider, Mäntel und Kostüme, bis sie einen kurzen Rock gefunden hatte, und eine von diesen rüschigen Blusen, die CeeCee jeden Morgen zwischen neun und elf getragen hatte, bevor sie ihr Nachthemd angezogen hatte, um im Wohnzimmer die Nachmittagsserien anzuschauen.
Na, das würde CeeCee jetzt nicht mehr tun, nicht wahr? Mona drehte sich der Kopf. Die Kleider rochen nach Mutter. Sie dachte an den Geruch im Krankenhaus. Nein, hier war er nicht, nirgendwo. Sonst hätte sie es gemerkt.
Sie schaute in den Spiegel. Sie sah jetzt aus wie eine kleine Frau. Na ja, beinahe. Sie nahm CeeCees Bürste, kämmte sich das Haar hinten hoch, wie CeeCee es immer getan hatte, und steckte einen Kamm hinein.
Und für einen Augenblick, gerade einen Lidschlag lang, war es, als sehe sie Mutter. Sie stöhnte. So sehr wünschte sie sich, daß es wahr wäre. Aber im Spiegel war niemand außer Mona mit ihrem hochgesteckten Haar. Da war CeeCees Lippenstift, blaßrosa – weil sie nie mehr nüchtern genug gewesen war, um etwas Schickes in Grellrot aufzulegen, wenn sie nicht aussehen wollte wie ein Clown, hatte sie gesagt.
Mona schminkte sich die Lippen
Okay, jetzt zurück über den Flur, Tür zu, Computer einschalten. Das Word-Star-Verzeichnis erschien, groß und hell und grün, das klassische Menü. Mona drückte R für »Run a program« und befahl dem Programm, das Unterverzeichnis /WS/ MONA/HILFE/ anzulegen.
»Verfaßt von Mona Mayfair am 3. März für diejenigen, die nach mir kommen und vielleicht nie verstehen werden, was passiert ist. Etwas ist auf der Jagd nach den Frauen in unserer Familie. Sie glauben, es handelt sich um eine Krankheit. Es ist aber keine; es ist etwas weit Schlimmeres, etwas, das sie alle täuschen wird.
Ich werde mithelfen, die Frauen zu warnen.«
Sie drückte KD, um die Datei zu speichern, und die Worte verschwanden lautlos in der Maschine. Sie saß allein im dunklen Zimmer vor dem Computer wie vor einem glühenden Feuer, und langsam schob sich der Lärm von der Avenue über die reglose Stille. Draußen staute sich der Verkehr.
Sie ging die Treppe hinunter. Als sie allein im unteren Bad war und die Tür zwischen sich und der Welt abgeschlossen hatte, fing sie an zu weinen.
»Gottverdammtnochmal, Mona, verdammt, verdammt, verdammt.«
Aber es dauerte nicht lange. Sie hatte keine Zeit dazu. Es war wieder jemand gestorben. Sie konnte es hören – die Stimmen wurden schriller, und dann schrie tatsächlich jemand kurz. Es mußte noch jemand gestorben sein.
Ryan war gekommen und rief Monas Namen. Sie hörte die gedämpften Stimmen durch die schwere Zypressenholztür. Lindsay Mayfair in Houston, Texas, war heute mittag tot aufgefunden worden. Die Familie hatte sich eben gemeldet.
Mona kam in den Flur hinaus. Jemand drückte ihr ein Glas Wasser in die Hand, und einen Moment lang starrte sie es nur an und wußte nicht, was es sein könnte. Dann trank sie es.
»Danke«, sagte sie.
Pierce war da und starrte sie mit roten Augen an.
»Du hast von Lindsay gehört.«
»Hört auf mich«, sagte sie. »Es ist keine Krankheit. Es ist eine Person. Eine Person, die sie alle umgebracht hat. Sie müssen folgendes tun. In jeder Stadt müssen sich alle in einem Haus versammeln. Sie müssen einander Gesellschaft leisten und zusammenbleiben. Niemand darf dieses Haus verlassen. Es wird nicht lange dauern, denn
Weitere Kostenlose Bücher