Tanz der Hexen
erschöpft und schmerzte, und ich merkte, daß ich den Barkeeper anstarrte, der sich über mich beugte und vielleicht zum sechsten Mal fragte: »Monsieur, noch einen, bevor wir schließen?«
»Absinth.« Meine Stimme kam als heiseres Flüstern aus meiner Kehle. Es gab keinen Teil meines Körpers, der nicht weh tat.
»Du verdammter Mistkerl«, sagte ich mit meiner geheimen Stimme. »Was, zum Teufel, hast du mit mir gemacht?«
Aber es kam keine Antwort. Das Ding war zu erschöpft, um zu antworten. Es hatte mich stundenlang besessen und war in meiner Gestalt herumgelaufen. Gütiger Gott, ich hatte Schlamm an den Kleidern, und da, meine Schuhe! Und meine Hose war aus- und wieder angezogen, aber nicht ordentlich geschlossen worden. Oh, wir sind also bei einer Frau gewesen, oder bei einem Mann, wie? Und was haben wir uns sonst noch eingefangen?
Ich nahm das frische Glas Absinth, stürzte es hinunter, stand auf und wäre beinahe umgekippt. Mein Fuß war verstaucht. Ich hatte Blut an den Fingerknöcheln. »Wir haben uns geprügelt?«
Es gelang mir, meine Räume in der Rue Dumaine zu erreichen. Mein Diener Christian war da, ein Farbiger der Haut nach, ein Mayfair nach dem Blute, sehr gut bezahlt, sehr gescheit und oft sehr sarkastisch. Ich fragte ihn, ob mein Bett bereit sei, und er antwortete auf seine übliche Art: »Was glauben Sie?«
Ich fiel hinein, und er zog mich aus und brachte meine Kleider weg. Ich fragte nach einer Flasche Wein.
»Sie haben genug getrunken.«
»Hol mir den Wein«, sagte ich, »oder ich klettere wieder aus dem Bett und würge dich, bis du tot bist.«
Er holte mir den Wein. »Raus«, sagte ich, und er gehorchte. Ich lag im Dunkeln, trank und versuchte mich zu erinnern, was ich getan hatte… die Straße, das trunkene, wattige Gefühl, Stimmen, die wie durch Wasser an mein Ohr drangen. Und dann traten klare Erinnerungen hervor, ja, natürlich, mit einer Vertrautheit, wie sie nur die eigene Erinnerung haben kann: wie ich im Glen gewesen war und alle Leute versammelt hatte, und wie die ganze Prozession in die Kathedrale gezogen war. Die Kathedrale war schöner, als ich sie je gesehen hatte; überall waren Schleifen und schmückendes Grün, und ich hielt das Christkind im Arm. Der Gesang war euphorisch, und Tränen rollten mir übers Gesicht. Ich bin zu Hause, ich bin hier. Ich schaute zu dem großen bunten Fenster mit dem Heiligen hinauf. Ja. In den Händen Gottes und des Heiligen, dachte ich.
Ich schrak aus dem Schlaf. Was für eine Erinnerung war das? Ich wußte, daß der Ort in Schottland lag; ich wußte, daß es Donnelaith war. Und ich wußte, daß es Jahrhunderte her gewesen sein mußte. Und dennoch war es meine eigene Erinnerung gewesen, frisch und klar und so unmittelbar, wie eine Erinnerung nur sein konnte.
Ich stürzte zu meinem Schreibtisch und kritzelte das alles nieder. Da kam der Dämon, matt und verschwommen und ohne Gestalt, und seine Stimme war nur eine Andeutung. »Was tust du, Julien?«
»Das könnte ich dich auch fragen«, antwortete ich. »Hat dir unsere Eskapade gefallen?«
»Ja, Julien, Ich möchte es wieder tun, Julien. Sofort. Aber ich bin zu schwach.«
»Kein Wunder. Verzieh dich. Verschwinde. Ich bin auch erschöpft. Wir machen es…«
»… sobald wir können.«
»Ja, ja, schon gut, du Teufel.«
Ich legte die Blätter in die Schreibtischschublade. Dann verfiel ich in totenähnlichen Schlaf, und als ich aufwachte, schien hell die Sonne, und ich wußte, daß ich wieder in der Kathedrale gewesen war. Ich erinnerte mich an die Fensterrosette. Ich erinnerte mich an das Steinbild des Heiligen auf dem Deckel seines Sarkophags. Und an die singenden Menschen…
Was kann das bedeuten? dachte ich. Daß der Dämon in Wirklichkeit ein Heiliger ist? Nein, nein. Ein böser Engel, der in die Hölle gestürzt ist. Was? Ich weiß es nicht. Oder hat er einem Heiligen gedient, ihn verehrt, und dann… ja, was?
Aber das Entscheidende ist, es konnte keinen Zweifel daran geben, daß es sich um menschliche Erinnerungen handelte. Das Ding erinnerte sich daran, daß es Fleisch gewesen war; es hatte diese Erinnerungen in sich, und sie waren bei mir geblieben, der ich sie vielleicht als einziger betrachten konnte. Zweifellos wußte der Dämon, daß die Erinnerung an sein fleischliches Ich vorhanden war, aber in Wirklichkeit konnte er nicht denken! Er benutzte uns zum Denken! Nur wenn ich es ihm sagte, würde er wissen, was er gewesen war.
Die Idee war geboren. Jedesmal brachte ich
Weitere Kostenlose Bücher