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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sie prallte gegen die Glastür, als sie hinauslief. Aber weit konnte sie nicht laufen. Sie war zu schwer. Sie schlang die Arme um Emaleth und blieb stehen, hielt Emaleth fest und stetig.
    Mutter, ich liebe dich.
    Ich liebe dich auch, mein Liebling. Wirklich. Aber ich muß zu Michael.
    Mutter dachte an Michael, stellte ihn sich vor, den Mann mit dem dunklen Haar und dem Lächeln, stämmig und freundlich und überhaupt nicht wie Vater. Ein Engel, sagte Mutter, der uns rettet. Mutter war für einen Augenblick ruhig, und ihre Hoffnung und Freude durchfluteten Emaleth. Emaleth fühlte Freude.
    Zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben spürte Emaleth Mutters Glück. Michael.
    Aber inmitten all dieser wunderbaren Ruhe, da Emaleth den Kopf an Mutter lehnte und Mutters Hand Emaleths Welt umfaßte, hörte Emaleth, wie Vater rief.
    Mutter, Vater ist aufgewacht. Ich kann ihn hören. Er ruft.
    Mutter trat auf die Straße hinaus. Autos und Lastwagen donnerten vorbei. Mutter eilte auf einen großen, dröhnenden Lastwagen zu, der vor ihr emporwuchs wie eine Mauer aus glänzendem Stahl.
    Ja, mein geliebter Liebling, das genügt.
    Mit aller Macht gelang es Mutter, die hohe Trittstufe zu erklettern und die Tür aufzureißen.
    »Bitte, Sir, nehmen Sie mich mit, wohin Sie auch fahren! Ich muß weg von hier!« Mutter schlug die Tür zu. »Fahren Sie, um Himmels willen! Ich bin nur eine Frau. Ich kann Ihnen nichts tun.«
    Emaleth, wo bist du?
    »Lady, Sie müssen in ein Krankenhaus. Sie sind krank«, sagte der Mann, aber er gehorchte.
    Der große Truck fuhr weiter und erfüllte die Welt mit Lärm. Mutter war übel von dem Rattern und Holpern und vom Schmerz. Ein kreisrunder Schmerz. Mutters Kopf kippte nach hinten auf die Sitzlehne.
    Emaleth, deine Mutter hat mich verletzt!
    Mutter, er ruft uns.
    Liebling, wenn du mich liebst, antworte ihm nicht.
    »Lady, ich fahre Sie ins Houston General Hospital.«
    Nein, wollte Mutter sagen, bitte tun Sie das nicht. Bringen Sie mich fort von hier. Aber sie kam nicht zu Atem. Sie schmeckte nach Übelkeit, ja, nach Blut. Und sie hatte Schmerzen. Die Schmerzen taten auch Emaleth weh. Vaters Stimme war sehr weit weg, formte keine Worte, nur Schreie.
    »New Orleans«, sagte Mutter. »Da bin ich zu Hause. Dort muß ich wieder hin. In das Haus der Mayfairs, Ecke First und Chestnut.«
    Emaleth wußte, was Mutter wußte. Dort war Michael. Sie wünschte, sie könnte selbst mit dem Lastwagenfahrer sprechen. Sie wünschte, sie könnte es. Mutter war es so übel. Mutter würde sich gleich übergeben, und der Geruch würde wiederkommen. Sei ruhig, Mutter. Ich höre Vater nicht mehr.
    »Michael Curry, in New Orleans. Ich muß ihn erreichen. Er wird Sie bezahlen. Er wird Ihnen viel Geld geben. Ich werde Sie bezahlen. Rufen Sie ihn an. Hören Sie… wir halten an einem Telefon, später, wenn wir aus der Stadt sind, aber hören Sie…«
    Und jetzt zog sie das Geld aus der Handtasche, Unmengen von Geld, und der Mann starrte Mutter an mit seinen runden Menschenaugen, sehr erstaunt, aber er wollte nicht, daß ihr schlecht wurde, er wollte ihr helfen, wollte tun, was sie sagte, dachte, daß sie zart sei und jung und hübsch.
    »Fahren wir nach Süden?« fragte Mutter, und wieder war ihr so schlecht, daß sie fast nicht sprechen konnte. Der Schmerz umhüllte sie, umhüllte auch Emaleth. Oooooh… das war das Schlimmste, was Emaleth je gefühlt hatte. Sie trat gegen die Welt. Aber sie wollte nicht gegen Mutter treten.
    Vaters Stimme war längst erstorben im Gerumpel der Autos, im Gleißen der Lichter. Die Welt war riesig ringsumher.
    »Wir fahren jetzt nach Süden, Lady«, sagte er. »Wir fahren jetzt nach Süden, okay, aber ich wünschte, Sie ließen sich von mir ins Krankenhaus bringen.«
    Mutter schloß die Augen. In ihrem Kopf ging das Licht aus. Ihr Kopf fiel zur Seite. Sie schlief; sie träumte. Das Geld lag auf ihrem Schoß, auf dem Boden, zwischen den Pedalen. Der Mann langte hinunter und hob einen Geldschein nach dem anderen auf und bemühte sich, den Blick dabei nicht von den Autos zu nehmen, die vor ihm über die Straße sausten. Autos, Straße, Schilder, Autobahn: New Orleans. Süden.
    »Michael«, sagte Mutter. »Michael Curry. New Orleans. Aber wissen Sie, wissen Sie, wenn ich’s mir recht überlege, steht die Telefonnummer unter Mayfair, glaube ich. Mayfair und Mayfair. Rufen Sie bei Mayfair und Mayfair an.«

 
16

    Man nahm an, daß Alicia »CeeCee« Mayfair gegen sechzehn Uhr eine Fehlgeburt erlitten hatte. Sie

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