Tanz der Hexen
nicht.
»Ich versuche es ja, mein Liebling. Aber hör mir zu. Vater ist wahnsinnig. Er hat Träume, die böse sind, und wenn du geboren bist, mußt du fort von hier. Du mußt weg von mir und von ihm, mußt die suchen, die dir helfen können.« Und Mutter fing wieder an zu weinen, betrübt, niedergeschlagen, kopfschüttelnd.
Vater kam zurück. Der Schlüssel im Schloß. Der Geruch von Vater und von Nahrung.
»Hier, mein kostbarer Liebling«, sagte er. »Ich habe Orangensaft für dich und Milch und andere gute Dinge.«
Er sank neben Mutter aufs Bett.
»Ah, es wird nicht mehr lange dauern!« sagte er. »Sieh nur, wie sie sich aufbäumt! Und deine Brüste – sie füllen sich wieder mit Milch!«
Mutter schrie. Er drückte Mutter die Hand auf den Mund, und sie versuchte ihn in den Finger zu beißen!
Emaleth weinte. Es war furchtbar, furchtbar, die Dunkelheit und der Lärm rings am Horizont. Was war denn die Welt, wenn man so litt? Sie war nichts. Sie wollte ihnen gern Dinge in den Mund stecken, um ihre Münder zu verschließen, damit sie nicht im Haß miteinander sprachen. Sie stemmte sich gegen die Decke der Welt. Sie sah sich geboren als Frau, die zwischen den beiden hin und her hastete, ihnen den Mund mit Blättern vom Waldboden stopfte, damit sie einander keine kränkenden Worte mehr sagen konnten.
»Du wirst den Orangensaft trinken, du wirst die Milch trinken«, sagte Vater wütend.
»Nur wenn du mich wieder losbindest und mich aufstehen läßt. Dann werde ich essen. Wenn ich auf der Bettkante sitzen kann, werde ich essen.«
Bitte, Vater, sei gut zu Mutter. Mutters Herz ist voller Trauer. Mutter muß essen. Mutter ist ausgehungert. Mutter ist schwach.
Also gut, mein Liebling. Vater hatte Angst. Er konnte Mutter nicht noch einmal ohne Nahrung und Wasser zurücklassen.
Er schnitt den Klebestreifen um Mutters Arme los, und dann den Klebestreifen um ihre Beine.
Sofort zog Mutter ihre Gliedmaßen zusammen, und sie schwenkte ihre Füße zur Seite, und sie gingen, Emaleth und Mutter, auf und ab und auf und ab. Ins Bad gingen sie, das erfüllt war von grellem Licht und glänzenden Dingen und dem Geruch von Wasser und den Chemikalien darin.
Mutter schloß die Tür und hob eine große Porzellanplatte von dem Kasten hinter der Toilette. Es waren Dinge, die Emaleth verstand, weil Mutter sie verstand, aber sie verstand sie nicht vollständig. Porzellan war hart und schwer; Mutter hatte Angst. Mutter hob die Porzellanplatte hoch über den Kopf. Sie war wie ein Grabstein.
Vater stieß die Tür auf, und Mutter drehte sich um und ließ die große Porzellanplatte auf Vaters Kopf niederfahren, und Vater schrie auf.
Schmerz für Emaleth. Mutter, tu es nicht.
Aber Vater sank schweigend und friedlich zu Boden, ohne zu klagen; er träumte, und Mutter schlug ihn noch einmal mit der Porzellanplatte. Blut rann aus seinen Ohren auf den Boden. Er schloß die Augen. Er träumte. Mutter wich schluchzend zurück und ließ die Porzellanplatte fallen.
Aber Mutter war erfüllt von Erregung und Hoffnung. Auch Mutter wäre beinahe hingefallen; aber sie stieg über Vater hinweg, stürzte hinaus ins Zimmer und raffte ihre Kleider und ihre Handtasche, ja, die Handtasche, sie brauchte ihre Handtasche, und dann rannte sie auf bloßen Füßen den Gang hinunter, und Emaleth wurde hin und her geschleudert und gerüttelt und stemmte sich gegen die Welt, um sie zur Ruhe zu bringen.
Jetzt waren sie im winzigen Aufzug und fuhren abwärts, abwärts, abwärts! Es war ein so gutes Gefühl für Emaleth. Sie waren in der Welt außerhalb des Zimmers. Mutter saß an die Rückwand des Aufzugs gelehnt und zog sich an, murmelte laut vor sich hin, weinte, wischte sich übers Gesicht. Sie zog den roten Pullover über den Kopf, zog den Rock an, konnte ihn aber nicht zuknöpfen.
Wo wollten sie hin?
Mutter, was ist mit Vater passiert? Wo wollen wir hin?
Vater will, daß wir fortgehen. Wir müssen fort; sei ruhig und hob Geduld.
Mutter sagte nicht die Wahrheit. In weiter Ferne hörte Emaleth, wie Vater ihren Namen wisperte.
Mutter blieb in der Aufzugtür stehen. Der Schmerz wurde zuviel. Mehr und mehr litt sie Schmerzen. Emaleth seufzte und versuchte sich ganz klein zu machen, um Mutter keine Schmerzen zu bereiten. Aber die Welt wurde eng und klein, und Mutter schnappte nach Luft und legte die Hand auf die Augen und bog sich zur Seite.
Mutter, fall nicht.
Dann zog Mutter die Schuhe an und fing an zu laufen. Die Handtasche baumelte an ihrer Schulter, und
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