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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mehr Erinnerungen mit. Sei der Dämon und kenne den Dämon, und am Ende wirst du im Besitz der Wahrheit über ihn sein. Wenn die Wahrheit nicht helfen kann, was dann? Du billiger, böser Geist, dachte ich, du bist nur jemand, der wiedergeboren werden will. Aber dazu hast du kein Recht, du gieriger, gieriger Dämon. Du hast schon gelebt. Du bist kein weises oder ewiges Wesen. Fahr zur Hölle und bleib dort.
    Und wieder schlief ich den lieben langen Tag; so müde war ich. Am Abend fuhr ich nach Riverbend. Ich rief die Kapelle zusammen, befahl ihnen, aus Leibeskräften »Dixie« zu spielen und setzte mich mit Mutter zusammen. Ich erzählte ihr alles, aber sie wollte nichts davon wissen.
    »Zunächst einmal ist er allmächtig und stammt aus undenklichen Zeiten.«
    »Einen Dreck ist er.«
    »Und außerdem wird er es merken, wenn du deine Seele gegen seine stellst. Er wird dich töten.«
    »Höchstwahrscheinlich.«
    Ich vertraute mich ihr nie wieder an. Ich glaube, ich sprach überhaupt nie wieder richtig mit ihr. Aber ich glaube nicht, daß sie es je merkte.
    Ich ging ins Kinderzimmer. Der Dämon umschwebte die Wiege. Ich sah ihn einen kurzen Augenblick lang, gekleidet wie ich, schlamm beschmiert, wie er es schon vorher gewesen war. Idiotisches Ding. Ich lächelte.
    »Möchtest du jetzt in mich fahren?«
    »Zeit, bei ihr zu sein, bei meinem Baby«, sagte er. »Sieh doch, wie schön sie ist. Deine Hexentalente sind in ihr, und die deiner Mutter Mutter und ihrer Mutter Mutter. Wenn man bedenkt, daß ich dich womöglich vergeudet hätte…«
    »Man kann eben nie wissen, nicht wahr? Was erfährst du eigentlich, wenn du in mir bist?«
    Er antwortete lange Zeit nicht. Dann blitzte seine Erscheinung noch heller vor mir auf, er glich mir wie ein Ei dem ändern, wie man so sagt, und er funkelte mich an und grinste und versuchte dann zu lachen, aber nichts kam aus seinem Mund, und er verschwand wieder.
    Ich ging hinaus. Ich wußte jetzt, was ich zu tun hatte. Ich mußte das Problem studieren, während das Wesen mit dem Baby beschäftigt war. Und ich mußte es in mich hineinlassen, sooft es wollte und solange ich es ertragen konnte.
    Die Monate vergingen. Mary Beths erster Geburtstag war ein großes Fest. Die Stadt erlebte einen neuen Aufschwung; die Schatten des Krieges waren verschwunden, und das Geld lag auf der Straße. In den Vororten wuchsen die Villen aus dem Boden.
    Der Dämon ergriff im Durchschnitt einmal pro Woche Besitz vor mir.
    Mehr konnten wir beide nicht auf uns nehmen. Es dauerte jedesmal ungefähr vier, fünf Stunden, und dann war ich wieder da. Ich fand mich an den verschiedensten Orten wieder, wenn er mich verließ – manchmal im Bett, bisweilen sogar mit einem Mann. Sein Geschmack war also ebenso breit gefächert wie der meine, wenn es darauf ankam.
    Aber das war der springende Punkt. Es war nicht wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde, nein, keineswegs. Der Dämon in meiner Haut war ausnahmslos charmant zu anderen Leuten, fast wie ein Engel. »Darling, es war so süß von dir«, sagte meine Geliebte, »daß du mir gestern abend die Perlen geschenkt hast.«
    »Was?«
    So ging es. Auch war klar, daß die Leute mich für besinnungslos betrunken hielten, wenn er in mir war. Mein Ruf wurde zusehends greller und umstrittener. Von Natur aus trank ich gar nicht so viel. Es war mir zuwider, mich zu benebeln. Aber dieses Wesen kam in mir nicht besser zurecht. Und so lebte ich mit den Vorwürfen und dem Lächeln und dem Spott. »Junge, du hattest gestern abend vielleicht geladen gehabt!« »Im Ernst? Ich kann mich nicht mehr erinnern.«
    Unterdessen plagte mich Tag und Nacht die Vision der Kathedrale. Ich sah die grasbewachsenen Berge, und manchmal sah ich auch eine Burg, als schaute ich durch eine klare Scheibe in einem Buntglasfenster. Ich sah das Glen und den Nebel. Und dann überlagerte ein gewaltiges und unerträgliches Grauen die Erinnerung und löschte allen Sinn aus. Und ich kam nicht weiter. Ich lernte Schmerzen kennen, wenn ich es versuchte. Ich lernte ganz unvorstellbare Schmerzen kennen.
    Ich versuchte nicht, das alles mit dem Schurken zu erörtern. Und was das anbetrifft, was er lernte, während er in meiner Gestalt war… das schien eine Sache von purer Sinnlichkeit zu sein. Er soff, er tanzte, er verwüstete, er prügelte sich. Aber es kam vor, daß er danach verzweifelte. Ich muß selbst Fleisch sein, klagte er dann wohl.
    Er wollte eigenes Fleisch haben, nicht schwerfällig in meinem umherschwanken. Und seine

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