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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Verehrung für Mary Beth kannte keine Grenzen.
    Tatsächlich vergingen manchmal Wochen, ohne daß er den Wagemut aufbrachte, in mich zu fahren. Mir war es nur recht, denn ich brauchte immer zwei Tage, um mich zu erholen. Und als Mary Beth größer wurde, benutzte er sie oft als Ausrede. Von mir aus, dachte ich; mein Ruf ist schlecht genug, und älter werde ich auch.
    Und während Mary Beths Schönheit mit jedem Tag wuchs, wurde mir das Herz immer schwerer. Das Theaterspiel, sie sei meine Nichte und nicht meine Tochter, war mir zuwider. Ich wollte eigene Kinder, ja, ich wollte Söhne. Die Dinge, die mir kostbar waren, hatten sich auf so jammervoll, machtvoll wenige verringert, daß mich ihre Schlichtheit entsetzte.
    Aber mein Leben verlief in geraden Bahnen. Ich blieb bei Verstand, den Attacken des Dämons zum Trotz. Nie geriet ich auch nur in die Nähe echten Wahnsinns. Ich machte mein Geld in all den neuen Nachkriegsgeschäften – im Baugewerbe, im Handel und in der Baumwollproduktion, und ich erkannte zudem, daß ich, wollte ich den Reichtum meiner Familie bewahren, ihre Interessen weit über New Orleans hinaus ausdehnen mußte. New Orleans machte Wellen von Wohlstand und Rezession durch; aber als Hafen verloren wir unsere herausragende Position.
    In jenen Nachkriegsjahren unternahm ich die ersten Reisen nach New York. Während der Dämon zu Hause glücklich beschäftigt war, lebte ich als freier Mann in Manhattan.
    Ich machte mich ernsthaft daran, ein dauerhaftes Vermögen aufzubauen. Mein Bruder Rémy zog in das Haus in der First Street. Ich besuchte ihn oft.
    Bald redete ich mir ein, es gebe keinen Grund, weshalb ich nicht haben könne, was ein guter Mann haben sollte, und ich verliebte mich in meine junge Cousine Suzette, die mich in ihrer Unschuld an Katherine erinnerte. Ich schickte mich an, das Haus in der First Street als Hausherr zu beziehen, derweil mein Bruder mit seiner Familie dort als Angehörige des Haushalts in Freuden wohnen würde.
    Und jetzt wurde mir, was den Schurken und seine Erinnerungen betraf, in blitzartiger Helligkeit noch etwas anderes klar. Während ich fortfuhr, mich an die Kathedrale zu erinnern, an das Glen und an das Städtchen Donnelaith, wurden die Bilder immer klarer. Ich reiste nicht besonders viel in der Zeit vor und zurück, aber ich sah mehr Einzelheiten. Und allmählich begriff ich, daß die Euphorie, die ich in meinem Traum von der Kathedrale empfand, die Liebe Gottes war.
    Mit Sicherheit wußte ich es eines Werktagmorgens. Ich stand vor der St.-Louis-Kathedrale auf dem Jackson Square und hörte einen wundervollen Gesang. Ich ging hinein. Kleine Mulattenmädchen, allesamt sehr schön, »farbige Kinder«, wie wir sie genannt hätten, gingen zur Erstkommunion. Alle waren in prachtvolles Weiß gekleidet, und die Zeremonie war atemberaubend, als füllten lauter kindliche Bräute Christi den Gang, eine jede mit Rosenkranz und weißem Gebetbuch in der Hand.
    Die Liebe Gottes. Das war es, was ich in der St.-Louis-Kathedrale verspürte, mitten in meiner eigenen kleinen Stadt. Und ich wußte, das war es, was ich in jener uralten Kathedrale im Glen empfand. Ich war wie gebannt. Den ganzen Tag wanderte ich umher, beschwor das Gefühl herauf und tat dann mein Bestes, um es wieder zu vertreiben.
    In kurzem Aufblitzen sah ich Donnelaith. Ich sah seine Steinhäuser. Ich sah den kleinen Platz. Ich sah die Kathedrale selbst in der Ferne – oh, die große, große gotische Kirche! Die alten Zeiten!
    Schließlich sank ich wie immer in einem Cafe auf einen Stuhl und trank ein kaltes Glas Bier.
    Der Dämon war da, unsichtbar.
    »Was denkst du?«
    Vorsichtig und mit Bedacht sagte ich es ihm.
    Er schwieg verwirrt.
    Dann sagte er mit schüchterner Stimme: »Ich will Fleisch sein.«
    »Ja, das glaube ich«, sagte ich. »Und Mary Beth und ich haben geschworen, dir zu helfen.«
    »Gut, denn ich kann dir dann zeigen, wie du selbst hier bleiben und wiederkehren kannst; es geht, und andere haben es auch getan.«
    »Warum hast du so lange gebraucht?«
    »Es gibt keine Zeit, wo ich bin«, sagte er. »Sie ist eine Idee. Sie wird verwirklicht werden. Nur wenn ich in deinem Körper bin, gibt es eine Art Zeit, die sich in Geräuschen und Bewegungen mißt. Aber ich bin außerhalb der Zeit. Ich warte. Ich sehe weit. Ich sehe mich wiederkommen, und dann werden alle leiden.«
    »Alle.«
    »Alle außer unserem Clan, deinem und meinem. Dem Clan von Donnelaith, denn du gehörst zu diesem Clan, und ich

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