Tanz der Hexen
Klänge des Walzers, lauter als je in ihren Träumen. Die Frauenstimme sang fröhlich auf Italienisch, und jetzt ertönte der Chor im Hi n tergrund, der auf der ganzen verkratzten Platte klang wie eine Schwärm Vögel. Plötzlich hatte sie Herzklopfen. Sie hob die Hand und berührte ihre Schleife, um sich zu vergewissern, daß sie fest im Haar saß. Dann ließ sie das Handtuch achtlos zerknüllt zu Boden fallen und trat oben an die Treppe. Und im selben Augenblick fiel ein sanfter Lichtschein durch die Tür aus dem Doppelsalon und wurde lautlos heller, als sie die Treppe hinunterging. Der Wollteppich fühlte sich unter ihren nackten Füßen ein bißchen rauh an.
Sie blieb stehen und schaute zu Boden, und sie sah, daß sie nicht mehr auf einem roten Wollteppich stand, sondern auf einem orientalischen Läufer, sehr verschlissen, sehr dünn. Sie spürte auch den veränderten Stoff unter den Füßen – besser gesagt, sie merkte, daß sie auf etwas Fadenscheinigerem stand, und sie folgte der Kaskade aus persischen blauen und rosa Rosen die Treppe hinunter. Die Wände ringsum hatten sich auch verändert. Die Tapeten waren von dunklem, staub i gem Gold, und ganz unten hing ein ungewohnter Kronleuchter an dem ovalen Blätterbündel aus Stuck an der Hausflurdecke – schaumig und venezianisch sah er aus, und sie konnte sich nicht erinnern, ihn je gesehen zu haben. Und es brannten ec h te Kerzen an diesem kleinen Kronleuchter.
Sie konnte das Wachs riechen. Der Soprangesang fuhr fort in seinem zuverlässigen, swingenden Rhythmus, und wieder hätte sie am liebsten mitgesungen. Das Herz ging ihr über.
»Onkel Julien!« flüsterte sie und wäre fast in Tränen ausgebrochen. Oh, das war die größte Vision, die sie je gehabt hä t te.
Sie schaute in den Flur hinunter. Noch mehr hübsche Muster, die sie noch nie gesehen hatte. Und durch die erste der hohen Türen zum Salon, durch die vor langer Zeit ein Cousin auf di e ser Treppe erschossen worden war, sah sie, daß das Zimmer nicht mehr das Zimmer von heute war. Winzige Gasfläm m chen tanzten in anmutigen Kristallampen.
Ah, aber der Teppich war noch derselbe. Und da waren Onkel Juliens Golddamaststühle.
Sie eilte die Treppe hinunter und warf Blicke nach links und nach rechts, wo ihr Einzelheiten ins Auge fielen – alte Gaslampen mit gerieften Kristallschirmen und ein bleigefaßtes Gla s fenster rings um die große Haustür, das auch nicht da gewesen war.
Die Musik war jetzt vielleicht so laut, wie ein Victrola spielen konnte. Und, ah, sieh nur das Nippesregal, vollgestopft mit winzigen Keramikfiguren, und die Messinguhr auf dem vorderen Kaminsims, und die griechischen Statuen auf dem hint e ren, und die Draperien aus mürbem, altem Samt, die glänzend und mit Fransen besetzt auf den blankgebohnerten Boden fielen.
Die Türrahmen waren so gestrichen, daß sie wie Marmor au s sahen! Die Fußleisten ebenfalls. Es war diese alte Maserung, so beliebt gegen Ende des Jahrhunderts, und das Gaslicht flackerte stetig an der dunkel tapezierten Decke, als ob die kleinen Düsen im Takt der Walzermusik tanzten.
Sie hob die Arme und tanzte unversehens auf den Zehenspitzen im Kreis, immer rundherum, daß das schmale Nachthemd sich um sie herum zu einer Glocke blähte. Bezaubert von der Musik wiegte sie sich wild vor und zurück, beugte sich tief hi n unter, daß ihr Haar nach vorn flog und ihr ins Gesicht fiel, und warf es dann nach hinten, daß es ihr über den Rücken flutete. Ihr Blick wanderte über die geäderte, gelbliche Tapete an der Decke, und dann sah sie verschwommen das große Sofa, Michaels neues Sofa, nur daß es jetzt nicht den beigen D a mastbezug hatte, sondern einen aus verschossenem Gol d samt wie die Vorhänge an den Fenstern, prachtvoll und warm im flackernden Schein der Lampen.
Michael saß bewegungslos auf dem Sofa und sah sie an. Sie hielt mitten im Tanzschritt inne, die Arme abwärts gebogen wie eine Ballerina, und fühlte, wie ihr Haar nachschwang und auf ihre Schultern fiel. Er hatte Angst. Er saß mitten auf der Couch in seinem Baumwollpyjama und starrte sie an, als wäre sie unglaublich furchterregend oder grotesk. Die Musik spielte weiter und weiter, und sie atmete langsam tief durch, brachte ihren Pulsschlag wieder unter Kontrolle und näherte sich ihm. Wenn sie im Leben je etwas Furchterregendes gesehen hatte, dachte sie, dann war er es, wie er hier im Zimmer saß und sie anstarrte, als wolle er den Verstand verlieren.
Er zitterte nicht. Er war wie
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