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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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bemerkt.«
    »Na, das wundert mich nicht. Ich wette, Aaron ist bald auch ein Ehren-Mayfair.«
    »Wäre das nicht prima? Beatrice eignet sich vorzüglich. Aaron braucht eine Frau, die einen Gentleman zu schätzen weiß; meinst du nicht?« Seine Augen schlössen sich wieder, als könne er nichts dagegen tun.
    Was für ein böses Zeug diese Drogen doch waren. Sie haßte sie. Nie würde sie Alkohol oder Drogen in irgendeiner Form anrühren.
    Sie wollte, daß ihr Verstand scharf war wie eine Sense.
    Er lachte plötzlich. »Wie eine Sense!« flüsterte er.
    Ah, er hatte es also mitbekommen. Sie unterließ es gerade noch, darauf zu antworten, denn ihm war gar nicht klar, daß sie nicht gesprochen hatte. Sie lächelte. Sie hätte ihn gern noch einmal geküßt, aber vermutlich würde das nichts nützen. Wahrscheinlich eher schaden. In ein paar Minuten würde er wieder schlafen wie ein Murmeltier. Dann würde sie ein sch ö nes langes Bad nehmen und danach vielleicht oben nach dem Victrola suchen.
    Zu ihrer Überraschung warf er das Oberbett zurück und stieg aus dem Bett. Unsicher, aber sichtlich um Ritterlichkeit b e müht, ging er vor ihr her.
    »Komm, ich zeige dir, wo alles ist«, sagte er. Er gähnte wieder und atmete tief, als er vor ihr zur Tür hinausging.
    Das vordere Schlafzimmer war noch genauso schön, wie es am Tag der Hochzeit gewesen war. Auf dem Marmorkamin stand sogar ein Strauß roter und gelber Rosen. Und Rowans weißer Seidenmantel war auf der blassen Damastdecke des Vierpfostenbetts zurechtgelegt, als werde sie wirklich wieder nach Hause kommen.
    Er blieb kurz stehen und sah sich um, als habe er vergessen, was er vorhatte. Er erinnerte sich nicht. Sie hätte es gespürt, wenn er sich erinnert hätte. Er mühte sich um den Kontext. Das war es, was die Drogen mit einem machten: Sie nahmen einem den Kontext der vertrauten Dinge.
    »Die Nachthemden«, sagte er mit einer halbherzigen kleinen Geste zur offenen Badezimmertür.
    »Ich finde sie schon, Onkel Michael. Geh wieder ins Bett.«
    Er starrte sie eine ganze Weile an, als könne er sich nicht einmal auf das, was sie sagte, konzentrieren. Aber er war entschlossen, den Beschützer zu spielen, entschlossen, sich entsprechend besorgt zu zeigen. »Falls du Angst bekommst…«
    »Werde ich nicht, Onkel Michael.« Sie konnte nicht anders; sie mußte unwillkürlich lächeln. »Ich bin diejenige, vor der man Angst haben muß – meistens jedenfalls.«
    Daraufhin konnte auch er ein Lächeln nicht unterdrücken. Kopfschüttelnd ging er hinaus und warf ihr einen letzten, sehr blauäugigen und anbetungswürdigen Blick zu, dessen Feuer die Drogen für einen Moment überstrahlte. Dann schloß er die Tür.
    Das Badezimmer war mit einer kleinen hübschen Gasheizung ausgestattet. Sie schaltete sie sofort ein. Auf dem Korbregal lagen Dutzende von dicken, weißen Frotteehandtüchern. Dann fand sie auch die Flanellnachthemden; sie lagen in Reihen auf dem obersten Bord im Wandschrank – dicke, altmodische Nachthemden mit fröhlichen Blumenmustern. Sie suchte sich das grellste aus – ein pinkfarbenes Hemd mit roten Rosen – und ließ dann das Wasser in die lange, tiefe Badewanne la u fen.
    Sorgfältig löste sie die rosa Taftschleife an ihrem Hinterkopf und legte das Band auf die Kommode neben Haarbürste und Kamm.
    Ah, was für ein Traumhaus, dachte sie. So ganz anders als die Amelia Street mit den klauenfüßigen Badewannen und den feuchten, verrotteten Bodendielen, wo die paar Handtücher, die es noch gab, abgenagt und verschlissen waren. Mona war die einzige, die sie jemals wusch. Sie war überhaupt die einz i ge, die jemals etwas wusch; die uralte Evelyn fegte allerdings jeden Tag das Trottoir, wie sie den Gehweg nannte.
    Dieses Haus zeigte, was man mit Liebe alles fertig brachte. Alte weiße Kacheln, ja, aber ein neuer, dicker, pflaumenfarbener Teppich. Messingarmaturen, die wirklich funktionierten, pergamentene Schirme an den Wandlampen neben dem Spiegel. Ein Stuhl mit rosa Kissen. Ein kleiner Kronleuchter, der von der Decke hing, mit vier Kerzenglühbirnen aus rosa g e färbtem Glas.
    »Und Geld, vergiß das Geld nicht«, hatte Alicia vor nicht la n ger Zeit gesagt, als sie sich laut gewünscht hatte, das Haus in der Amelia Street wäre wieder schön.
    »Wieso bitten wir Onkel Ryan nicht um das Geld? Wir sind Mayfairs. Da ist ein Erbteil. Verflucht, und ich bin alt genug, um einen Handwerker zu beauftragen, den Klempner zu bestellen. Wieso muß dauernd alles

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