Tanz der Hexen
die Treppe hinauf. Erstaunlich, wie schnell das ging.
Und Michael saß auf dem Sofa und starrte sie mit schmalen Augen sehr ruhig an, als versuche er sich zu erinnern, was passiert war; an seinem Blinzeln sah man, wie verwirrt er war. »O Gott, Mona!« flüsterte er.
»Es ist passiert, Onkel Michael«, sagte sie, und plötzlich versagte ihre Stimme. Ihre Kräfte verließen sie. Sie hörte das Stocken, als sie weitersprach, hörte das Zittern. »Und jetzt laß mich mit dir hinauf ins Bett gehen«, sagte sie, kurz davor, z u sammenzubrechen. »Denn jetzt hab’ ich wirklich wirklich i r gendwie Angst.«
Sie lagen im Dunkeln in dem großen Bett. Sie starrte zu dem plissierten Satin des Halbbaldachins hinauf und fragte sich, was Mary Beth dort wohl einst für ein Muster gesehen haben mochte. Er lag still neben ihr, betäubt und erschöpft. Die Tür war verschlossen.
»Bist du wach?« flüsterte sie. Es drängte sie danach, ihn zu fragen, was er gesehen hatte. Aber sie wagte es nicht. Sie bewahrte das Bild des Doppelsalons im Kopf wie ein heiliges Sepiafoto – hatte sie solche Bilder nicht schon gesehen, mit den Gaslampen und mit genau den gleichen Sesseln?
»Es darf nicht noch einmal passieren, Honey«, sagte er benommen. »Nie, nie wieder.« Er zog sie an sich, aber er war sehr schläfrig, und sein Herz quälte sich jetzt ein bißchen, ein kleines bißchen nur, aber das war okay.
»Wenn du es sagst, Onkel Michael«, flüsterte sie. »Aber ich wünschte, ich hätte dabei auch etwas mitzureden.« In Mary Beths Bett, in Deirdres Bett. Sie kuschelte sich an ihn und füh l te seine warme Hand reglos auf ihrer Brust.
»Honey«, flüsterte er, »was war das für ein Walzer? War das Verdi? La Traviata? Es klang so, aber…« Und dann war er eingeschlafen.
Sie lag im Dunkeln und lächelte. Er hatte es gehört! Er war mit ihr dort gewesen. Sie drehte sich zu ihm um und küßte ihn auf die Wange, vorsichtig, damit er nicht aufwachte, und dann schlief sie ein an seiner Brust, den einen Arm unter seinen Pyjama auf seine warme Haut geschoben.
3
Ein öder, endloser Winterregen strömte auf San Francisco herab und überflutete sanft die steilen Straßen von Nob Hill; seine Nebelschwaden verschleierten die kuriose Mischung der Gebäude dort – die graue, geisterhafte gotische Fassade der Grace Cathedral, die wuchtig imposanten Stuckbauten der Apartmenthäuser, die stolzen, modernen Türme, die aus der alten Silhouette des Fairmont Hotels aufragten. Der Himmel verfinsterte sich zusehends bleischwer, und der Fünf-Uhr-Verkehr war fast so unangenehm, wie er nur werden konnte.
Dr. Samuel Larkin fuhr langsam am Mark Hopkins vorbei – er hatte keine Ahnung, wie das Hotel heute heißen mochte – und die California Street hinunter. Geduldig kroch er hinter einer rumpelnden, überfüllten Cable Car her und wunderte sich beiläufig über die Hartnäckigkeit der Touristen, die sich hier bei dieser Dunkelheit und Kälte völlig durchnäßt daran festklammerten. Er achtete darauf, daß er nicht auf den Gleisen ins Schleudern geriet und ließ dem Cable Car einen kleinen Vorsprung, als die Ampel grün wurde.
Dann fuhr er hinunter in Richtung Market Street, Block für Block, vorbei an der hübschen, exotisch wirkenden Einfahrt zur Chinatown, eine Strecke, die er immer ein bißchen beän g stigend und sehr schön fand und die ihn oft an seine ersten Jahre in dieser Stadt erinnerte, als man noch ganz bequem mit dem Cable Car zur Arbeit fahren konnte; damals war das Top of the Mark wirklich der höchste Punkt der Stadt gewesen, und es hatte hier noch kein solches Wolkenkratzer-Manhattan gegeben.
Wie hatte Rowan Mayfair diesen Ort nur je verlassen können? fragte er sich. Aber Lark war auch nur zweimal in New Orleans gewesen. Trotzdem, es war gewesen, als verlasse man Paris und ziehe in die Provinz, und es war nur ein Teil dessen, was er an Rowans Geschichte nicht verstand.
Beinahe wäre er am unauffälligen Tor des Keplinger Institute vorbeigefahren. Er bog scharf ab, schoß ein bißchen zu schnell die Zufahrt hinunter und in die trockene Dunkelheit der Tiefgarage. Es war jetzt zehn nach fünf. Und sein Flugzeug nach New Orleans ging um halb neun. Er hatte keinen Auge n blick Zeit zu verschwenden.
Er zeigte seinen Ausweis dem Pförtner, der sogleich oben anrief und ihn dann mit einem Kopfnicken passieren ließ.
Vor dem Aufzug mußte er sich noch einmal ausweisen – diesmal forderte ihn eine Frauenstimme dazu auf, die wie
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