Tanz der Hexen
stranguliert aus einem winzigen Lautsprecher unter einer V i deokamera ertönte. Lark verabscheute das: gesehen zu we r den, ohne zu sehen, von wem.
Der Aufzug brachte ihn lautlos und schnell in den fünfzehnten Stock, wo Mitchell Flanagans Labor lag. In Sekundenschnelle hatte er die Tür gefunden und das Licht hinter der Rauchgla s scheibe gesehen. Er klopfte laut.
»Lark hier, Mitchell«, sagte er, als drinnen jemand murmelte.
Mitchell Flanagan sah aus wie immer, halb blind und völlig inkompetent, als er Lark durch seine dicke Drahtgestellbrille entgegenspähte.
Rowans Lieblingsgenie, dachte Lark. Na, ich war ihr Lieblingschirurg. Warum bin ich also eifersüchtig? Seine Verliebtheit in Rowan Mayfair wollte nicht nachlassen. Das änderte sich nicht einfach dadurch, daß sie in den Süden gegangen war, geheiratet hatte und jetzt in irgendein erschreckendes medizinisches Chaos verwickelt war. Er hatte sich wirklich gewünscht, mit ihr ins Bett zu gehen, und er hatte es nie g e schafft.
»Kommen Sie herein«, sagte Mitch und widerstand sichtlich dem Drang, Lark auf der Stelle in den teppichbelegten Korridor hineinzuzerren, wo Reihen von winzigen kleinen Lampen mit sanftem Licht die Decke und den Fußboden säumten.
Dieser Laden würde mich wahnsinnig machen, dachte Lark.
Mitch führte ihn vorbei an zahlreichen Stahltüren mit kleinen, erleuchteten Fenstern, hinter denen diverse elektronische G e räusche zu hören waren.
Lark wußte, daß es keinen Zweck hatte, zu fragen, ob er diese inneren Heiligtümer einmal betreten dürfe. Die Genforschung bei Keplinger war streng geheim. Dieses Vier-Augen-Gespräch mit Mitchell Flanagan hatte Rowan Mayfair gekauft und bezahlt – oder doch die Familie Mayfair -, und zwar zu einem exorbitanten Preis.
Mitchell führte Lark in ein geräumiges Büro mit großen Fenstern, die einen Ausblick auf die dicht gedrängt stehenden Gebäude der Lower California Street und auf die Bay Bridge boten.
Eine Wand aus Computermonitoren erhob sich auf der einen Seite des großen Mahagonischreibtisches. Mitchell nahm auf dem hochlehnigen Stuhl Lark gegenüber Platz und winkte ihn zu dem bequemeren Polstersessel vor dem Schreibtisch. Der Polsterstoff hatte die Farbe von rotem Wein, ein schwerer Seidenstoff wahrscheinlich, und der Stil des Mobiliars wirkte irgendwie orientalisch. Entweder das, oder es war überhaupt kein Stil.
Unter den Fenstern mit dem spektakulären Blick in die beängstigende Nacht standen Reihen um Reihen von Aktenschränken, ein jeder mit einem digitalen Codeschloß gesichert. Der Teppich war von der gleichen tiefen Burgunde r farbe wie der Sessel, in dem Lark es sich bequem gemacht hatte. Andere Sessel hier und dort hatten die gleiche Farbe, so daß sie mit dem Boden und den dunkel getäfelten Wänden beinahe verschmolzen.
Die Schreibtischplatte war leer. Hinter Mitchells Kopf hing ein großes abstraktes Gemälde; was immer es darstellte, sah aus wie ein Spermatozoon, das wie verrückt auf eine Eizelle zuschwamm. Aber die Farben waren wunderbar – Unmengen von Kobaltblau und brennendem Orange und Neongrün -, als sei es von einem haitianischen Künstler gemalt, der in einer wissenschaftlichen Zeitschrift zufällig auf eine Zeichnung von Sperma und Ei gestoßen war und sie als Vorlage genommen hatte, ohne je zu ahnen oder sich dafür zu interessieren, was es war.
Das Büro stank nach Geld. Das Keplinger Institute stank nach Geld. Da war es beruhigend, daß Mitchell schlampig, unfähig und sogar ein bißchen schmuddelig aussah – ein verrückter Wissenschaftler, der keine Konzessionen an Unternehmensziele oder Wissenschaftstyrannei machte. Seit mindestens zwei Tagen hatte er sich nicht mehr rasiert.
»Gott, bin ich froh, daß Sie endlich da sind«, sagte Mitch. »Ich wäre bald verrückt geworden. Vor zwei Wochen kippen Sie mir das hier vor die Füße, ohne eine Erklärung, außer daß Rowan Mayfair es Ihnen geschickt hat… und daß ich herausfinden soll, soviel ich kann.«
»Und – haben Sie?« fragte Lark. Er fing an, seinen Rege n mantel aufzuknöpfen, besann sich dann aber. Er ließ seinen Aktenkoffer auf den Boden gleiten. Darin war ein Kassettenr e corder, aber den wollte er nicht benutzen; er würde ihn he m men und Mitchell wahrscheinlich zu Tode ängstigen.
»Was erwarten Sie denn in zwei Wochen? Es wird noch fünfzehn Jahre dauern, das menschliche Gehirn zu entschlüsseln; haben Sie das noch nicht gehört?«
»Was können Sie mir erzählen? Dies ist
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