Tanz der Hexen
weiter hinten am Korridor. Sam Mayfair und zwei der Grady Mayfairs aus New York waren im Konferenzraum und benutzten alle drei Telefone. Irgendwo telefonierten auch Liz und Cecilia Mayfair. Die Sekretärinnen der Familie, Connie, Josephine und Louise Mayfair, arbeiteten in einem anderen Konferenzzimmer. Faxe rollten aus jedem Gerät im ganzen Haus.
Pierce war bei Mona; er hatte ihr den großen Computer auf seinem Mammutschreibtisch aus Mahagoni überlassen und hockte ziemlich schutzlos hinter dem kleineren, bescheideneren Computer seiner Sekretärin; er war in Hemdsärmeln und Krawatte und hatte sein Jackett über die Stuhllehne gehängt. Viel tat er allerdings nicht. Er war einfach zu müde und zu bedrückt, was auch Mona hätte sein sollen, aber nicht war.
Die Untersuchung wurde völlig privat geführt, und niemand hätte sie besser führen können.
Am Abend zuvor, eine Stunde, nachdem Rowan gefunden worden war, hatte man ernsthaft damit angefangen. Ein paarmal waren Pierce und Mona ins Krankenhaus gefahren. Bei Sonnenaufgang waren sie noch einmal dagewesen, und dann hatten sie sich wieder an die Arbeit gemacht. Ryan, Pierce, Lauren und Mona bildeten den Kern der Organisation; Randall und ein paar andere kamen und gingen. Jetzt war es an die achtzehn Stunden her, daß sie Telefonate, Faxe und sonstige Kommunikationswege in Gang gesetzt hatten. Es ging auf den Abend zu, und Mona war benommen und hungrig, aber viel zu aufgedreht, um an das eine oder das andere zu denken.
Bald würde irgend jemand etwas zu essen bringen, nicht wahr? Vielleicht würden sie auch hinausfahren. Mona wollte das Büro nicht gern verlassen; sie vermutete, daß die nächste Information aus einer Houstoner Unfallambulanz kommen würde, wo der geheimnisvolle, knapp zwei Meter große Mann medizinische Hilfe benötigt hatte.
Der Lastwagenfahrer aus Houston war das wichtigste Bindeglied gewesen.
Der Mann, der Rowan gestern nachmittag aufgelesen hatte. Er hatte gestern abend in St. Martinville haltgemacht, um der Polizei von der ausgemergelten, panischen Frau zu erzählen, die sich auf eigene Faust in die Sümpfe geschlagen hatte. Seinetwegen hatten sie Rowan gefunden. Man hatte ihn angerufen und eingehender befragt. Er hatte die Stelle in Houston beschrieben, wo sie ihm vor den Truck gelaufen war. Er wiederholte alles, was sie gesagt hatte, und berichtete, wie verzweifelt sie darauf aus gewesen war, nach New Orleans zu kommen. Er bestätigte, daß Rowan gestern abend, als er sie das letzte Mal gesehen hatte, ganz richtig im Kopf gewesen war. In rasender Panik vielleicht, aber sie hatte sprechen, gehen, denken können. Und dann war sie allein in die Sümpfe gelaufen.
»Die Frau hatte Schmerzen«, hatte er Mona am Telefon erzählt, als er die ganze Geschichte noch einmal rekapituliert hatte. »Sie hat die Arme um ihren Leib geschlungen, wissen Sie, wie eine Frau mit Krämpfen.«
Gerald Mayfair war mit Pierce’ großer Schwester Shelby und mit Monas Vater Patrick in den Sumpf bei St. Martinville gefahren, um die Stelle abzusuchen, an der Rowan gefunden worden war.
Rowan hatte geblutet wie die andern, aber sie war nicht tot gewesen. In der vergangenen Nacht, gegen zwölf, war in einer Notoperation die Gebärmutter herausgenommen worden; nur Michael war dagewesen und hatte – unter Tränen – seine Zustimmung gegeben: Entweder das, oder sie würde den Morgen nicht mehr erleben. »Hören Sie, wir können von Glück sagen, daß sie überhaupt noch atmet.«
Und sie atmete.
Wer konnte wissen, was sie da oben im Sumpfland von St. Martinville im Gras vielleicht noch finden würden? Mona hatte den Vorschlag gemacht und wäre am liebsten selbst losgefahren. Patrick, ihr Dad, war jetzt völlig nüchtern und entschlossen, zu helfen. Ryan hatte gewollt, daß Mona bei ihm blieb; Mona begriff nicht ganz, warum. Machte Ryan sich Sorgen um sie?
Aber als Ryan dann anfing, sie alle paar Minuten über das Intercom anzusummen, um ihr irgendeine unwesentliche Frage zu stellen, da wußte sie, daß er einfach nur ihre Unterstützung haben wollte. Okay, von ihr aus; sie war da, um ihm Unterstützung zu geben. Zwischen diesen Gesprächen tippte sie, schrieb sie, verzeichnete sie, schilderte sie.
Noch am Vormittag war das Bürogebäude in Houston entdeckt worden.
Im fünfzehnten Stock bot sich ein düsteres Bild. Rowan war eine Gefangene gewesen. Über längere Zeitabschnitte war sie ans Bett gefesselt gewesen. Die Matratze starrte vor Urin und Fäkalien, aber
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