Tanz der Hexen
schmaler weißer Streifen seines Kragens war zu sehen, und die großen blassen Hände öffneten und schlössen sich auf seinen Knien.
Yuri lächelte mit Bedacht. »Sie haben recht«, sagte er. »Ein Fax an eine Nummer in Amsterdam. Genau darauf berechnet, Vertrauen zu erwecken.«
»Yuri, bitte, wir brauchen Sie«, sagte der Mann mit sichtlicher und tiefempfundener Bestürzung.
»Das glaube ich. Wie weit ist es noch bis zu Aaron?«
»Ein paar Minuten nur. Ein paar Minuten, und wir sind da.«
Yuri nahm die schwarze Sprechmuschel von der samtgepolsterten Wand. »Fahrer«, sagte er.
»Ja, Sir?«
»Halten Sie bitte an einem Laden, wo man Waffen kaufen kann. Schußwaffen. Kennen Sie so einen Laden? Ohne daß wir einen großen Umweg machen müssen?«
»Ja, Sir. In der South Rampart Street.«
»Ist mir recht.«
»Warum tun Sie das?« fragte Stolov. Er zog die hellen, buschigen Brauen zusammen, und sein Gesicht war beinahe traurig.
»Der Zigeuner in mir«, sagte Yuri. »Keine Sorge.«
Der Mann in der South Rampart Street hatte ein ganzes Arsenal unter Glas und hinter sich an der Wand. »Sie brauchen einen Führerschein von Louisiana«, sagte er.
Stolov beobachtete ihn. Es machte Yuri wütend, daß Stolov dastand und ihn beobachtete, als habe er das Recht dazu.
»Es handelt sich um einen Notfall«, sagte Yuri. »Ich brauche einen Revolver mit einem langen Lauf – da, der ist okay. Der .357er Magnum. Und eine Schachtel Patronen. Hier.« Er zog sein Geld aus der Tasche, Hundert-Dollar-Scheine, erst zehn, dann zwanzig, und zählte sie langsam auf die Theke. »Keine Sorge«, sagte er. »Ich bin kein Gauner. Aber ich brauche den Revolver. Verstehen Sie?«
Er lud die Waffe an Ort und Stelle. Die übrigen Patronen verteilte er in seinen Taschen, handvollweise, schwer, lose.
Als sie in den Sonnenschein hinaustraten, sagte Stolov: »Glauben Sie, man braucht dieses Wesen einfach nur zu erschießen?«
»Nein. Sie werden es stoppen, wissen Sie das nicht mehr? Wir fahren nach Hause, Aaron und ich. Aber wir sind in Gefahr. Das haben Sie gesagt. In schrecklicher Gefahr. Und jetzt habe ich meinen Revolver.« Er deutete auf den Wagen. »Nach Ihnen.«
»Sie sollten jetzt nichts Dummes oder Leichtsinniges tun«, sagte Stolov, aber jetzt lag nicht Ärger, sondern Besorgnis in seinem Ton.
»Was denn zum Beispiel?«
»Zum Beispiel dürfen Sie nicht versuchen, es zu erschießen.« Der Mann war genervt. »Der Orden hat ein Recht auf ein raffinierteres Verfahren.«
»Hmmm. Ich verstehe. Keine Sorge. Oder, wie man überall auf der Welt sagt, wo man englisch spricht: No problem! Okay?«
Er schenkte Stolov ein strahlendes Lächeln, öffnete ihm die Wagentür und wartete, bis er eingestiegen war. Jetzt war Stolov derjenige, der leises Mißtrauen und Unbehagen, ja, Angst erkennen ließ.
Und dabei weiß ich kaum, wie man abdrückt, dachte Yuri.
26
Mona hätte sich nie träumen lassen, daß ihre ersten Tage bei Mayfair und Mayfair so aussehen würden. Sie saß an einem großen Schreibtisch in Pierce’ großem, dunkel getäfeltem Büro und tippte furios auf einem IBM-kompatiblen 386-SX-Computer, der eine Idee langsamer war als das Monster, das sie zu Hause hatte.
Rowan Mayfair war immer noch am Leben, achtzehn Stunden nach der Operation und zwölf Stunden, nachdem man sie von den Apparaten getrennt hatte. Jeden Augenblick konnte sie aufhören zu atmen. Ebenso gut konnte sie noch wochenlang leben. Niemand wußte es genau.
Die Untersuchung nahm ihren Gang. Im Augenblick gab es nichts weiter zu tun, als bei den ändern zu bleiben und nachzudenken und zu warten und zu schreiben.
Sie hämmerte auf das weiße Keyboard, leicht verärgert über das lärmende Klappern der Tasten. »Vertraulich gespeichert von Mona Mayfair« lautete ihr Titel. Die Datei war paßwortgeschützt. Niemand außer Mona hatte Zugriff auf das Material. Wenn sie nach Hause käme, würde sie alles per Modem übertragen. Aber vorläufig konnte sie hier nicht weg. Sie gehörte hierher. Seit dem vergangenen Abend war sie hier. Und sie schrieb alles auf, was sie gesehen, gehört, gefühlt und gedacht hatte.
Inzwischen war jedes Zimmer in dem gewaltigen Bürokomplex besetzt; geschäftig und beständig sprachen leise Stimmen in verschiedene Telefone hinter halboffenen Türen. Kuriere kamen und gingen.
Es herrschte Ruhe, keine Panik. Ryan saß hinter seinem Schreibtisch im großen Büro, wie sie es nannten, und bei ihm waren Randall und Anne Marie. Lauren residierte
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