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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sie war mit einem frischen Laken bezogen und von Blumen umgeben, von denen einige noch frisch waren. Frische Lebensmittel waren auch vorhanden.
    Es war grausig, das Ganze. Im Bad war eine Menge Blut – nicht von Rowan. Offenbar war der Mann dort verletzt, vielleicht bewußtlos geschlagen worden. Fotos des Badezimmers waren bereits da. Aber die blutigen Fußspuren, die zum Aufzug und zum Vordereingang des Gebäudes hinausgeführt hatten, deuteten klar darauf hin, daß er das Haus aus eigener Kraft verlassen hatte.
    »Das hier, finde ich, sieht aus, als ob er im Aufzug noch einmal gefallen wäre. Sieh mal. Da ist doch Blut auf dem Teppich. Er ist schwach. Er ist verletzt.«
    Nun, da war er verletzt gewesen, aber war er es jetzt auch noch?
    Sie überprüften jede Unfallambulanz in der ganzen Stadt. Jede Klinik, jedes Krankenhaus, jede Arztpraxis. Dann würden sie die Vororte absuchen und sich in konzentrischen Kreisen nach außen bewegen, bis sie wußten, wohin der blutende Mann gegangen war. Sie suchten in Hauseinfahrten, auf Dächern, in Restaurants und vernagelten Häusern. Wenn der Mann irgendwo in der Nähe verwundet lag, würden sie ihn finden.
    Eine Agentur nach der ändern, die besten, die man für Geld kaufen konnte, hatte man engagiert. Ständig wurden Aufträge vergeben, Informationen abgeglichen. Privatärzte hatten in dem Bad in Houston Blutproben eingesammelt und in private Labors gebracht, deren Namen nur Lauren und Ryan bekannt waren. Die düsteren Räume des Gefängnisses waren nach Fingerabdrücken durchsucht worden. Jedes Kleidungsstück – und es waren viele dagewesen – war verpackt, etikettiert und zu Mayfair und Mayfair geschickt worden. Schon trafen die ersten Lieferungen ein.
    Auch andere Spuren wurden verfolgt. Zerknülltes Schreibpapier und eine Plastik-Keycard, die man in Houston gefunden hatte, führten zu einem Hotel in New York. Auch dort befragte man die Leute. Rowans Lastwagenfahrer wurde auf Kosten der Familie hergeholt, damit er noch einen weiteren mündlichen Bericht geben konnte.
    Häßlich, häßlich, das alles.
    Aber konnte es etwas Häßlicheres geben als den Anblick Rowan Mayfairs in dem weißen Krankenhausbett, den Kopf aufrecht auf dem Kissen, die Arme bewegungslos zu den Seiten, mit starrem Blick ins Leere? Sie war stark ausgemergelt, weiß wie Papier, aber das Schlimmste war die Stellung der Arme, parallel, leicht einwärtsgedreht, und die absolute Leere des Gesichts. Alle Persönlichkeit war aus seinem Ausdruck gewichen. Während Mona dagesessen und sie angeschaut hatte, hatten Rowans Arme sich allmählich dichter zum Körper bewegt. Dann hatten die Krankenschwestern zugegriffen und sie wieder gestreckt.
    Rowans Haar sah dünn aus, als sei ein großer Teil einfach ausgefallen: auch ein Hinweis auf schwere Unterernährung und die Schwangerschaft mit folgender Fehlgeburt. So klein sah sie aus in ihrem weißen Krankenhauskittel, daß sie ein Engel aus einem Weihnachtsstück hätte sein können.
    Und neben ihr saß Michael, zerzaust und durcheinander; er redete mit ihr und erzählte ihr, daß er für sie sorgen werde, daß alle versammelt seien, und daß sie keine Angst haben dürfe. Bunte Bilder werde er ihr ins Zimmer hängen, erzählte er, und Musik würde er spielen. Er habe ein altes Grammophon gefunden; das werde er für sie spielen. Er redete und redete. »Wir werden uns um alles kümmern. Wir werden uns… um alles kümmern.«
    Er wagte nicht, zu sagen: »Wir werden dieses Bastard-Ding finden, dieses Monstrum.« Nein – wer wollte so etwas zu dem unschuldigen, ausdruckslosen Geschöpf sagen, das dort lag, zu diesem grotesken Überrest einer Frau, die es einmal vermocht hatte, mit perfekter Präzision und großem Erfolg die Gehirne anderer Leute zu operieren?
    Mona wußte, daß Rowan nichts hören konnte. In ihr war nichts mehr, das zugehört hätte. Das Hirn funktionierte noch, ein bißchen wenigstens; es ließ die Lunge in einem völlig mechanischen Takt arbeiten und das Herz mit der gleichen beängstigenden Regelmäßigkeit pumpen, aber die Extremitäten des Körpers wurden immer kälter.
    Jeden Augenblick könnte das Gehirn aufhören, seine Anweisungen zu erteilen. Der Körper würde sterben. Das Elektroenzephalogramm war eine fast flache Linie.
    Rowan war körperlich schwer verletzt worden. Es war wirklich scheußlich. Auf ihren bleichen Armen und Beinen waren Blutergüsse. Es gab Anzeichen für eine spontane Fraktur in der linken Hüfte. Sie wies Blutergüsse

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