Tanz der Hexen
kann.«
»Lark, es ist zu weit weg von uns. Es ist weit außerhalb der Sphäre einer Mutation. Es ist hoch organisiert und in sich stimmig. Es ist kein Unfall. So, wie es ist, ist es einfach zu wunderschön entwickelt. Denken Sie einmal in Kategorien von prozentualer Chromosomenähnlichkeit. Mensch und Schi m panse sind einander zu siebenundneunzig Prozent gleich. Aber die Ähnlichkeit mit diesem Ding beträgt nicht mehr als allerhöchstens vierzig Prozent. Ich habe bereits einfache i m munologische Untersuchungen mit seinem Blut angestellt, die das beweisen. Das bedeutet, daß es sich schon vor Jahrmi l lionen vom menschlichen Entwicklungsstamm abgespalten hat, wenn es je dazugehört hat, was ich bezweifle. Ich glaube, es gehört an einen ganz anderen Baum.«
»Aber wie konnte Rowan seine Mutter sein? Ich meine, man kann doch nicht einfach -«
»Die Antwort ist ebenso überraschend wie einfach. Rowan hat ebenfalls zweiundneunzig Chromosomen. Die exakt gleiche Zahl von Exons und Introns. Blut-, Fruchtwasser- und G e websproben, die sie geschickt hat, bestätigen das. Ich bin s i cher, so viel hatte sie auch schon herausbekommen.«
»Aber was ist mit Rowans früheren medizinischen Checks? Hat denn niemand je gemerkt, daß die Frau doppelt so viele menschliche Chromosomen hat wie normal?«
»Niemand hat je etwas gemerkt, weil nie jemand einen Chromosomenplan von Rowan angefertigt hat. Wer hätte das auch machen sollen? Wozu? Rowan war nicht einen Tag ihres L e bens ernsthaft krank.«
»Aber irgend jemand…«
»Lark, die DNS-Entschlüsselung steckt noch in den Kinderschuhen. Manche Leute sind absolut dagegen, in dieser Richtung überhaupt zu forschen. Es gibt Millionen Ärzte auf der Welt, die keine Ahnung haben, was in ihren Genen steckt. Manche von uns wollen es gar nicht wissen. Ich will es nicht wissen. Mein Großvater ist am Veitstanz gestorben. Meine Brüder wollen nicht wissen, ob sie es in den Genen haben, und ich auch nicht. Natürlich werde ich mich früher oder später untersuchen lassen müssen. Aber der entscheidende Punkt ist: Die Genforschung hat eben erst begonnen. Wäre dieses Wesen vor zwanzig Jahren zum Vorschein gekommen, dann wäre es als Mensch durchgegangen. Man hätte es für eine Art Mißgeburt gehalten.«
»Soll das heißen, Rowan ist kein Mensch?«
»Doch, sie ist ein Mensch. Absolut. Ich habe schon versucht zu erklären, daß jede andere Untersuchung, die im Laufe ihres Lebens gemacht worden ist, einen normalen Befund ergeben hat. Kinderkrankheiten alle normal, Wachstumsrate normal. Das bedeutet, daß dieser zusätzliche Chromosomensatz während ihrer Entwicklung nicht aktiv war… bis dieses Kind in i h rem Leib zu wachsen anfing.«
»Und was ist da passiert?«
»Ich vermute, die Empfängnis hat mehrere komplexe chemische Reaktionen in Rowan ausgelöst. Deshalb war das Fruchtwasser voll mit allen möglichen Nährstoffen. Es war reich an Proteinen und Aminosäuren. Es gibt Hinweise darauf, daß lange nach dem Embryonalstadium ein beträchtlicher Do t tersack bei dem Wesen verblieb. Und die Muttermilch. Wußten Sie, daß Muttermilch dabei war? Nicht von normaler Dichte und Zusammensetzung – sie enthielt unendlich viel mehr Pr o teine als menschliche Muttermilch. Aber nochmals: Ich werde Monate, wenn nicht Jahre brauchen, um das alles zu en t schlüsseln. Es ist ein völlig neuer Typ von Plazenta, mit dem wir es hier zu tun haben.«
»Rowan war normal«, sagte Lark. »Rowan schleppte ein Paket von anscheinend nutzlosen Genen mit sich herum. Bei der Empfängnis wurden diese Gene aktiviert, um bestimmte Prozesse in Gang zu setzen.«
»Ja. Das normale menschliche Genom in ihr hat ordnungsgemäß funktioniert, aber es waren zusätzliche Gene in die Do p pelhelix eingeflochten, die auf irgendeinen Auslöser warteten, damit die DNS mit ihren Anweisungen beginnen konnte.
Aber selbst bei der Geschwindigkeit, mit der sich diese Zellen vervielfältigen, braucht das seine Zeit. Und übrigens gibt es noch einen seltsamen Aspekt bei diesen Zellen. Sie sind resistent gegen jedes Virus, mit dem ich sie attackiert habe, und sie sind resistent gegen jeden Bakterienstamm. Aber sie sind auch extrem elastisch. Es liegt alles an der Membran, wie ich schon sagte. Es ist keine menschliche Membran. Und wenn die Zellen absterben – bei intensiver Hitze oder Kälte -, hinte r lassen sie praktisch keine Überreste.«
»Sie schrumpfen weg? Verschwinden?«
»Sagen wir, sie ziehen sich zusammen. Und da
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