Tanz der Hexen
kein Interview mit dem Wissenschaftsredakteur der New York Times. Geben Sie mir eine Vorstellung. Womit haben wir es hier zu tun?«
»Sind Sie auf solche Spekulationen aus?« Mitch deutete auf den Computer. »Wollen Sie etwas Dreidimensionales sehen, in lebensechten Farben?«
»Erzählen Sie erst. Ich mißtraue Computersimulationen.«
»Hören Sie, bevor ich etwas sage, brauche ich mehr Proben. Ich brauche mehr Blut, Gewebe, alles, was ich kriegen kann. Ich habe meine Sekretärin deshalb jeden Tag in Ihrem Büro anrufen lassen. Warum haben Sie mich nicht zurückgerufen?«
»Weil es unmöglich ist, noch mehr zu kriegen.«
»Was soll das heißen?«
»Sie haben die einzigen Proben, die mir zur Verfügung stehen. Sie haben alle Daten, die ich bekommen habe. In New York gibt es noch etwas, aber dazu kommen wir später. Der springende Punkt ist: Ich kann Ihnen nicht mehr bieten, kein Blut, kein Gewebe, kein Fruchtwasser und auch sonst nichts. Sie haben alles, was Rowan Mayfair mir geschickt hat.«
»Dann muß ich mit Rowan Mayfair reden.«
»Unmöglich.«
»Wieso?«
»Können Sie diese flimmernden Leuchtstofflampen da oben nicht abschalten? Das macht mich noch verrückt. Haben Sie keine Glühbirnen in diesem schicken Zimmer?«
Mitchell machte ein erschrockenes Gesicht und wippte zurück, als habe man ihn geschlagen. Einen Augenblick lang schien es, als habe er rein gar nichts verstanden; dann sagte er: »O doch.« Er berührte eine Schalttafel unter der Schreibtischkante. Die Deckenbeleuchtung erlosch jäh und endgültig, und zwei kleine Lampen auf dem Schreibtisch leuchteten auf, sanft, gelb, angenehm, und erweckten das dunkle Grün der Schreibtischunterlage zum Leben.
Lark hatte die makellose, unbefleckte Löschblattunterlage mit den Lederecken gar nicht bemerkt, ebenso wenig wie das stumme, seltsam geformte schwarze Telefon, das mit seinen zahlreichen und geheimnisvollen Knöpfen dort hockte wie eine dicke, fette Kröte.
»Schon besser. Ich hasse dieses Licht«, sagte Lark. »Und jetzt erzählen Sie mir genau, was Sie wissen.«
»Erst sagen Sie mir, weshalb ich nicht mit Rowan Mayfair sprechen kann und wieso ich keine weiteren Daten bekomme. Warum hat sie Ihnen keine Fotos von diesem Ding geschickt? Ich muß mit ihr sprechen -«
»Niemand weiß, wo sie ist. Ich versuche seit Wochen, sie zu finden. Ihre Familie versucht es seit Weihnachten; da ist sie nämlich verschwunden. Ich fliege heute abend um zwanzig Uhr dreißig nach New Orleans zu ihrer Familie. Ich bin der letzte, der von Rowan gehört hat. Ihr Anruf bei mir vor zwei Wochen ist derzeit der einzige Hinweis darauf, daß sie übe r haupt noch lebt. Ein Anruf, und dann die Proben. Als ich w e gen finanzieller Mittel mit ihrer Familie Kontakt aufnahm, worum sie mich gebeten hatte, erzählten sie mir von ihrem Verschwinden. Seit Weihnachten hat man sie nur ein einziges Mal gesehen… möglicherweise… in einer schottischen Klei n stadt namens Donnelaith.«
»Und was ist mit dem Kurierservice, der Ihnen die Proben g e bracht hat? Wo hat sie sie abgegeben? Haben Sie das zurückverfolgt?«
»Natürlich. Sackgasse. Der Kurier hat sie bei einem Concierge in einem Genfer Hotel abgeholt; ein weiblicher Gast hatte sie bei der Abreise dort hinterlassen. Rowans Beschreibung paßt einigermaßen auf diese Frau, aber es gibt keinen Beweis, daß Rowan Gast dieses Hotels war, zumindest nicht unter ihrem eigenen Namen. Die ganze Sache ist sehr geheimnisvoll. Sie hatte dem Concierge schon mehrere Tage vorher gesagt, w o hin das Päckchen geliefert werden sollte. Hören Sie, die Fam i lie hat das alles schon untersucht, glauben Sie mir. Den Leuten liegt was daran, Rowan zu finden. Als ich sie anrief und ihnen das alles erzählte, wären sie fast übergeschnappt. Deshalb fliege ich ja jetzt hinunter. Sie wollen mich persönlich sprechen; es ist ihr Geld, also tue ich ihnen den Gefallen gern. Aber diese Leute haben ganz Genf von Detektiven durc h kämmen lassen. Keine Spur von Rowan. Glauben Sie mir, wenn diese Familie jemanden nicht findet, dann ist er nicht zu finden.«
»Wieso sind Sie da so sicher?«
»Geld. Mayfair-Geld. Sie müssen doch von Rowans Plänen vom letzten Herbst gehört haben, von den Plänen zu Mayfair Medical. Aber jetzt reden Sie, Mitch. Was sind das für Proben? Ich muß mein Flugzeug erwischen. Verlassen Sie sich auf meinen gesunden Menschenverstand. Wenn Sie den Au s druck gestatten: Lassen Sie sich einmal gehen.«
Mitchell Flanagan
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