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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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diese Macht keine angst. Mehr und mehr fühlte sie sich wie eine Tänzerin, die soeben in einen Leben s abschnitt vollkommener Kraft eintrat. Gut, dann war sie eben nur eins dreiundfünfzig groß, und wahrscheinlich würde sie nicht mehr viel größer werden. Aber ihr Körper wurde mit j e dem Tag reifer.
    Es gefiel ihr, stark und ungewöhnlich zu sein. Es machte ihr Spaß, die Gedanken anderer Leute zu lesen und Dinge zu sehen, die andere nicht sehen konnten. Die Tatsache, daß der Mann, den sie gesehen hatte, ein Geist war, faszinierte sie. Und sie war eigentlich nicht überrascht gewesen, als sie es gehört hatte. Wenn sie nur damals schon in das Haus g e kommen wäre…
    Nun, aber das war Vergangenheit, nicht wahr? Und jetzt war jetzt. Und die Gegenwart war wirklich toll. Rowan Mayfairs Verschwinden hatte die Familie in Unruhe versetzt; die Leute gaben jetzt so mancherlei preis. Und hier war dieses große Haus, leer bis auf Michael Curry – und sie.
    Und der Augenblick gehörte ihr allein.
    Sie ging zur Glasveranda an der Rückseite und überprüfte die Schlösser der vielen Küchentüren eines nach dem anderen. Dieser steifnackige Henri hatte das Haus verrammelt wie eine Festung. Na, kein Problem. Mona wußte, wie sie hineinkam.
    Sie schlich sich ganz ums Haus herum nach hinten, bis zum Ende der alten Küche, in der jetzt ein Bad war, und schaute hinauf zum Badezimmerfenster. Wer würde so hoch oben ein Fenster verriegeln? Aber wie würde sie hinaufkommen? Sie würde eine der großen Mülltonnen aus Kunststoff herüberziehen, die fast nichts wogen. Sie ging in den Hofgang hinein, packte die Tonne beim Griff – und was sagte man dazu? Sie lief auf Rollen. Wie praktisch! Dann kletterte sie hinauf, auf den Knien erst, und dann drückten ihre Füße den elastischen schwarzen Plastikdeckel ein, und sie hebelte die grünen Fensterläden auf und schob das Fenster hoch.
    Es ließ sich schieben, ganz leicht. Es klemmte erst, als die Öffnung schon groß genug war, daß sie durchklettern konnte. Auf dem staubigen Fenstersims würde sie sich das Kleid schmutzig machen, aber das war nicht wichtig. Sie stützte sich mit beiden Händen ab und glitt durch das Fenster hinein, und beinahe wäre sie drinnen auf den Teppichboden gepurzelt.
    Sie war im Haus in der First Street! Und es war ein Kinderspiel gewesen! Einen Augenblick lang stand sie da in dem kleinen Bad und starrte auf das schimmernde, weiße Porzellan der alten Toilette und auf die Marmorplatte am Waschbecken, und sie erinnerte sich an den letzten Traum mit Onkel Julien, in dem er sie mit in dieses Haus genommen hatte und sie z u sammen die Treppe hinaufgegangen waren.
    Onkel Julien hatte das Victrola spielen lassen, das Mona haben sollte, und er hatte in seinem langen, gesteppten Hausmantel getanzt. Michael sei zu gut, hatte er gesagt. Engel hätten ihre Grenzen. »Reine Herzensgüte hat mich noch selten besiegt, verstehst du, Mona«, hatte er mit seinem charmanten französischen Akzent gesagt; er hatte Englisch mit ihr gesprochen, wie er es immer in ihren Träumen tat, obwohl sie perfekt Französisch sprach. »Aber sie geht unweigerlich allen außer diesem so vollkommen guten Menschen schrecklich auf die Nerven.«
    Vollkommen gut. »Vollkommen hinreißend. Vollkommen en t zückend. Ein vollkommener Leckerbissen!« hatte Mona getippt, und dann hatte sie diese Eintragungen in der Datei »Michael« abgespeichert.
    »Gedanken zu Michael Curry: Jetzt, nachdem er den Herzanfall gehabt hat, ist er noch attraktiver – wie ein großes Tier mit einer verletzten Pfote, ein Ritter mit gebrochenem Arm, Lord Byron mit seinem Klumpfuß.«
    Sie hatte Michael immer schon »zum Sterben« gefunden, wie man so sagte. Sie hatte ihre Träume nicht gebraucht, um das zu wissen, obgleich sie dadurch ein bißchen kühner geworden war; Onkel Julien hatte mit all seiner Dramatik nahegelegt, daß Michael eine prachtvolle Eroberung sei, und er hatte ihr erzählt, wie er mit der uralten Evelyn, als sie gerade dreizehn war – so alt wie Mona jetzt – auf dem Dachboden in der First Street geschlafen hatte, und aus dieser unrechtmäßigen Ve r einigung sei die arme Laura Lee geboren worden, Giffords und Alicias Mutter. Damals hatte Onkel Julien der uralten Evelyn das Victrola gegeben und gesagt: »Bring es aus dem Haus, bevor sie kommen. Bring es weg und behalte es…«
    »… Es war ein verrückter Plan. Ich habe nie an Hexerei geglaubt, mußt du wissen, Mona. Aber ich mußte einen Versuch

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