Tanz der Hexen
ihn glaubte, die ihm half. Und er war schon wieder bei der Arbeit. Es war noch zu früh, um zu sagen, wie schlimm es wirklich für ihn sein würde, überlegte Michael. Es war zu früh für diesen Mann, wirklich Angst zu haben.
»Ich muß gehen«, sagte Michael. »So einfach ist das. Was muß ich wissen? Wohin sollte ich fahren? Was sind unsere letzten Informationen über Rowan? Was sind unsere brauc h barsten Hinweise?«
Schweigen senkte sich über das Zimmer. Mona kam herein; eine weiße Schleife fiel sittsam über ihre Locken, und sie trug ein schlichtes weißes Kattunkleid, die angemessene Kleidung für Kinder bei einem Trauerfall. Sie schloß die Tür zum Flur hinter sich. Sie sprach mit niemandem, niemand sah sie an, und niemand schien zu bemerken, daß sie sich in den Lede r sessel an der Wand gegenüber setzte und Michael über die staubige Weite des Zimmers hinweg anschaute. Michael kon n te sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen lassen, und eigentlich war es auch nicht wichtig. Hier war nichts im Gange, wovon Mona nichts wußte oder was sie nicht hören durfte. Und überdies stand dieses Geheimnis zwischen ihnen wie ein unsichtbares Band. Das Kind faszinierte ihn ebenso, wie es ihm Gewissensbisse bereitete; sie war einfach Teil der Aufr e gung, die sich mit seiner Genesung und dem verband, was er jetzt zu tun hatte.
»Sie können nicht gehen«, sagte Aaron.
Sein fester Tonfall traf Michael ganz unvorbereitet. Er merkte, daß seine Gedanken abgeschweift waren, zurück zu Mona und ihren Liebkosungen und zu der traumähnlichen Ersche i nung der uralten Evelyn unten auf der Straße.
»Sie kennen den vollständigen Sachverhalt nicht«, sagte Aaron.
»Welchen Sachverhalt?«
»Wir hatten das Gefühl, wir sollten dir nicht alles erzählen«, sagte Ryan. »Aber bevor wir weitermachen, will ich es dir e r klären. Wir wissen nicht, wo Rowan ist, und wir wissen nicht, was mit ihr passiert ist. Das soll nicht heißen, daß ihr etwas zugestoßen ist. Ich möchte, daß dir das klar ist.«
»Hast du mit deinem Arzt gesprochen?« fragte Pierce; er war plötzlich hellwach und schaltete sich ein, als wolle er gleich zur Sache kommen. »Hat er gesagt, daß deine Rekonvaleszenz vorüber ist?«
»Meine Herren, sie ist vorüber. Ich werde meine Frau suchen. Und jetzt sagt mir, wer die Suche nach Rowan leitet. Wer hat die Akte über Rowan Mayfair?«
Aaron räusperte sich nach beredter britischer Art, und dann begann er: »Die Talamasca und die Familie Mayfair haben sie nicht finden können. Das heißt, ein beträchtlicher Aufwand an Nachforschungen und Kosten hat in Frustration geendet.«
»Aha:«
»Wir wissen folgendes: Rowan ist von hier mit einem großen, dunkelhaarigen Mann weggefahren. Wir haben Ihnen schon gesagt, daß man sie mit ihm im Flugzeug nach New York g e sehen hat. Sie war zum Jahresende ohne Zweifel in Zürich; von dort aus reiste sie nach Paris, und von Paris nach Schot t land. Später war sie in Genf. Von Genf ist sie möglicherweise nach New York zurückgekehrt, aber das wissen wir nicht mit letzter Sicherheit.«
»Das heißt, sie könnte wieder im Lande sein.«
»Sie könnte«, sagte Ryan. »Aber wir wissen es nicht.« Er schwieg, als habe er nichts weiter zu sagen oder als müsse er einfach seine Gedanken ordnen.
»Sie und dieser Mann«, sagte Aaron, »wurden in Donnelaith in Schottland gesehen. Daran gibt es anscheinend keinen Zweifel. Die Augenzeugenberichte aus Genf sind weniger schlü s sig. Daß sie in Zürich war, wissen wir nur, weil sie bestimmte Banktransaktionen vorgenommen hat, und in Paris hat sie mehrere medizinische Untersuchungen veranlaßt, deren E r gebnisse sie später an Dr. Samuel Larkin in Kalifornien g e schickt hat. Genf ist die Stadt, aus der sie den Arzt angerufen und ihm dann das Untersuchungsmaterial geschickt hat. Sie hat dort in einer Klinik Tests durchgeführt und die Befunde ebenfalls an Dr. Larkin geschickt.«
»Sie hat diesen Arzt angerufen? Er hat tatsächlich mit ihr g e sprochen?«
Das hätte ihm Hoffnung machen müssen; es hätte ihm nicht einen solchen Stich versetzen dürfen. Aber er wußte, daß er rot wurde. Sie hat angerufen, aber sie hat nicht mich anger u fen, sondern ihren alten Medizinerfreund aus San Francisco. Er bemühte sich, ruhig, aufmerksam, unvoreingenommen auszusehen.
»Ja«, sagte Aaron. »Sie hat Dr. Larkin am zwölften Februar angerufen. Sie teilte ihm mit, sie schicke ihm eine Zusamme n stellung von medizinischen
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