Tanz der Hexen
Untersuchungsbefunden, Gewebs und anderen organischen Proben et cetera, und er solle das alles im Keplinger Institute analysieren lassen. Sie werde sich wieder bei ihm melden. Es sei streng vertraulich. Sie deutete an, daß das Gespräch jeden Augenblick unterbrochen werden könne. Es klang, als sei sie in Gefahr.«
Michael saß unbewegt da und bemühte sich, das alles zu ve r arbeiten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte seine geliebte Frau mit einem anderen Mann telefoniert. Jetzt sah das Bild völlig anders aus.
»Das ist es, was ihr mir nicht erzählen wolltet.«
»Ja«, sagte Aaron. »Und daß die Leute, die wir in Genf und in Donnelaith befragt haben, andeuteten, daß sie vielleicht unter Zwang stand.«
»Verstehe. Aber sie hat gelebt und war wohlauf, als sie mit Samuel Larkin telefonierte. Und das war am zwölften Febr u ar«, sagte Michael.
»Ja…«
»Okay – was haben diese Leute gesehen? Und was haben die Leute in den Kliniken gesehen?«
»In den Kliniken hat keiner irgend etwas bemerkt. Aber Sie müssen bedenken, daß wir es da mit riesigen Einrichtungen zu tun haben. Es gibt anscheinend kaum Zweifel daran, daß Rowan und der Mann sich hineinschmuggelten, wobei Rowan sich als Stationsärztin oder Technikerin ausgab, wie es die Situation gerade verlangte. Sie führte diverse Tests durch und verschwand wieder, bevor irgend jemand etwas merkte.«
»Und das wissen Sie durch das Material, das sie an diesen Dr. Larkin geschickt hat?«
»Ja.«
»Erstaunlich. Aber eine Ärztin könnte das wohl fertig bringen, nicht wahr?« Michael bemühte sich, seine Stimme nicht zittern zu lassen. Aber sein Kopf war leer.
»Es gibt noch eine weitere kleine Erkenntnis«, sagte Ryan. »Eine, die uns gar nicht gefällt.«
»Sag schon.«
»Rowan hat gewaltige Überweisungen veranlaßt, während sie in Europa war. Gewaltige Transfers über Banken in Frankreich und in der Schweiz. Aber die Transfers hörten Ende Januar auf, und danach wurden nur noch zwei Schecks eingelöst, in New York, am vierzehnten Februar. Inzwischen wissen wir, daß die Unterschriften auf beiden Schecks gefälscht waren.«
»Aha.« Michael lehnte sich zurück. »Er hält sie gefangen. Er hat die Schecks gefälscht.«
Aaron seufzte. »Das wissen wir nicht… nicht sicher. Die Ze u gen in Donnelaith – und in Genf – beschreiben sie als blaß und kränklich. Ihr Begleiter, heißt es, war sehr aufmerksam; tatsächlich wurde sie nie ohne ihn gesehen.«
»Ich verstehe«, flüsterte Michael. »Was haben sie sonst noch gesagt? Erzählen Sie mir alles.«
»Donnelaith ist heute eine archäologische Forschungsstätte«, sagte Aaron.
»Ja, das wußte ich, glaube ich«, sagte Michael. Er sah Ryan an. »Hast du die Mayfair-Geschichte gelesen?«
»Wenn du die Akte der Talamasca meinst, ja, die habe ich mir angesehen, aber ich glaube, unsere Sorge ist jetzt einfach diese: Wo ist Rowan, und wie können wir sie erreichen?«
»Erzählen Sie mir mehr von Donnelaith«, sagte Michael zu Aaron.
»Anscheinend haben Rowan und Lasher dort vier Tage im Gasthaus gewohnt. Sie haben beträchtlich viel Zeit mit der Erforschung der Burgruinen, der Kathedrale und des Städtchens verbracht. Lasher hat mit vielen, vielen Leuten gesprochen.«
»Müssen Sie ihn bei diesem Namen nennen?« fragte Ryan. »Der gesetzliche Name, den er verwandte, lautete anders.«
»Der gesetzliche Name hat nichts damit zu tun«, sagte Pierce. »Dad, bitte, laß uns diese Informationen loswerden. Dieses Donnelaith ist ein archäologisches Projekt, das anscheinend vollständig durch unsere Familie finanziert wird. Ich habe erst bei der Lektüre der Talamasca-Akte davon erfahren. Dad ebenfalls. Verwaltet wurde das alles von…«
»Lauren«, sagte Ryan mit einem leisen Unterton des Abscheus. »Aber um all das geht es jetzt nicht. Man hat sie dort seit Januar nicht mehr gesehen.«
»Laßt uns weitermachen«, sagte Michael so sanft, wie er nur konnte. »Wie haben die Leute den Mann und die Frau b e schrieben?«
»Sie beschreiben eine Frau von knapp eins siebzig, sehr blaß und von schlechter Gesundheit, und einen Mann von extremer Größe, möglicherweise eins fünfundneunzig, mit langem, glänzend schwarzem Haar. Beide Amerikaner.«
Michael wollte etwas sagen, aber sein Herz begann zu rasen. Kein Zweifel: Er spürte den beschleunigten Herzschlag und einen leisen Schmerz in der Brust. Niemand sollte es merken. Er zog sein Taschentuch heraus, faltete es zusammen und betupfte sich die Oberlippe.
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