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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Evelyn war müde, und ihre Finger krallten sich um den schwarzen Draht des Zauns, und sie war erleichtert, als sie den Kopf senkte und hörte, wie die große Haustür sich öffnete und wie nackte Füße über die Veranda tappten, dieses vertraute und unverwechselbare Getrippel, und als sie dann Mona vor sich stehen sah – bis ihr einfiel, was sie ihr zu sagen hatte.
    »Was gibt’s denn, uralte Evelyn?« fragte Mona. »Was ist pa s siert?«
    »Hast du nichts gesehen, Kind? Hat sie nicht deinen Namen gerufen? Denk nach, mein kostbares Kind, bevor ich es dir sage. Nein, es ist nicht deine Mutter.«
    Dann zerbrach Monas Mädchengesicht und wurde naß von Tränen; sie öffnete das Tor und wischte sich mit dem Han d rücken über die Augen.
    »Tante Gifford!« rief sie mit dünner Stimme, zerbrechlich und jung und gar nicht wie Mona die Starke und Mona die Geniale. »Tante Gifford! Und ich war so froh gewesen, daß sie nicht hier ist.«
    »Du hast es nicht getan, mein liebstes Kind«, sagte Evelyn. »Blut im Sand. Heute morgen. Vielleicht hat sie nicht gelitten. Vielleicht ist sie jetzt im Himmel und schaut auf uns herab und fragt sich, warum wir traurig sind.«
    Michael Curry stand oben auf der Marmortreppe, den Bademantel jetzt ordentlich geschlossen, mit Pantoffeln an den Füßen, die Hände in den Taschen – sogar das Haar hatte er gekämmt.
    »Dieser junge Mann sieht aber gar nicht krank aus«, sagte sie.
    Mona brach in Schluchzen aus, und ihr Blick ging hilflos von der uralten Evelyn zu dem dunkelhaarigen Mann mit der kräftigen Gesichtsfarbe dort auf der Veranda.
    »Wer hat denn überall herumerzählt, daß er an einem kranken Herzen stirbt?« fragte die uralte Evelyn, als sie ihn die Treppe herunterkommen sah. Sie ergriff die Hand des jungen Mannes und hielt sie fest. »Diesem strammen jungen Mann fehlt übe r haupt nichts!«

 
9

    Er hatte sie gebeten, sich in der Bibliothek zu versammeln. Das kleine braune tragbare Grammophon stand in der Ecke, und dort lagen auch die prachtvolle, lange Perlenkette und das kleine Päckchen Bilder von Stella und der uralten Evelyn, als sie beide noch jung gewesen waren. Aber darüber wollte er jetzt nicht reden. Er mußte über Rowan reden.
    Sie waren eben von Ryan zurückgekommen, vom Leichenschmaus. Zwei Stunden hatten sie nach Giffords Beerdigung in seinem Haus geplaudert und getrunken. Dann waren sie hierher zurückgekommen – zu dieser Konferenz.
    Während der Totenwache am Abend zuvor und bei der Beerdigung heute hatte er ihre erstaunten Gesichter gesehen, wenn sie ihm die Hand geschüttelt und ihm gesagt hatten, er sehe »soviel besser« aus, und wenn sie einander zugeflüstert hatten: »Sieh dir Michael an! Michael ist von den Toten aufe r standen.«
    Er und Dr. Rhodes hatten sich im Foyer des Bestattungsinstituts wegen der Medikamente gestritten, und Michael hatte gewonnen. Schlimme Entzugserscheinungen hatte er nicht. Er hatte die Röhrchen ausgeschüttet und weggelegt. Später wü r de er die Etiketten studieren. Dann würde er feststellen, was er genommen hatte – aber erst später. Die Krankheit war vo r über. Er hatte zu arbeiten.
    Und immer sah er Mona im Augenwinkel; sie starrte ihn an und flüsterte hin und wieder: »Ich hab’s dir gesagt.« Mona mit den etwas rundlichen Wangen und den blassen, blassen Sommersprossen und den langen, üppigen roten Haaren. Niemand nannte einen solchen Rotschopf je »Karottenkopf«. Die Leute verdrehten immer nur die Hälse und starrten sie an.
    Und dann das Haus. Wie konnte man das mit dem Haus erkl ä ren? Daß es sich wieder lebendig anfühlte. Daß er in dem A u genblick, als er in Monas Armen aufgewacht war, wieder das alte Empfinden gehabt hatte – daß etwas unsichtbar Anw e sendes ihn beobachtete. Das Haus ächzte wie vorher. Es sah aus wie vorher. Und dann war da natürlich die geheimnisvolle Musik im Salon, und was er mit Mona gemacht hatte. War se i ne Fähigkeit, das Unsichtbare zu sehen, tatsächlich zurückg e kommen?
    Er und Mona hatten nicht einen Augenblick lang über das Vo r gefallene gesprochen. Auch Eugenia hatte kein Wort gesagt. Die arme alte Seele. Zweifellos hielt sie ihn für einen Verg e waltiger und ein Monstrum. Technisch gesehen war er wah r scheinlich beides, und anscheinend war er noch mal davongekommen. Aber er würde den Anblick nie vergessen, wie sie dagestanden hatte, so real, so vertraut, und neben ihr ein kleines tragbares Grammophon, ein Grammophon, das genauso aussah wie das, das

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