Tanz der Kakerlaken
Tropfen von dem Zeug würde einen geradewegs verwestern.«
»Oh, ich weiß nicht«, sagte Chid. »Probiert es doch aus.«
Junker John kam der Verdacht, daß Chid ihn zu vergiften versuchte, aber er konnte dem Getränk und seiner umwerfenden Wirkung nicht widerstehen. Bevor er sich versah, hatte er auf magische Weise den Prediger zur Größe einer Knackerlake im dritten Stadium schrumpfen lassen. »Ex-Prediger«, verbesserte er sich selbst, denn es war offensichtlich, daß Chid Tichborne keine anständige Gottheit zum Verehren mehr hatte. Wenn Chid das Predigen aufgäbe und ein ganz normaler Typ würde, wäre er vielleicht gar kein so schlechter Kerl. Er wäre dann nichts Besseres als Junker John. Schon jetzt war er nur noch halb so groß wie Junker John. Junker John und er konnten gute Freunde sein, wenn sie es versuchten.
»Kommt doch mal her«, drängte Junker John, die Worte schon etwas lallend, den schrumpfenden Exprediger, »und versucht selbst mal ein Schlückchen von diesem Gin hier.«
»Laßt nur«, lehnte Chid ab. »Trinkt ruhig den ganzen Tropfen.«
»Mir soll's recht sein«, bemerkte Junker John und machte sich daran, den ganzen Tropfen Gin aufzulecken. Der Prediger schrumpfte zu einem Nichts.
Die Nacht brach mitten am lichten Tage an. Wie schrecklich für jemanden, der den Schlaf bitter nötig hat und glaubt, es sei der Westen der Tagesmitte, und dann mit einem Mal feststellt, daß es Nacht ist. Aber Junker John war das egal. Er trieb einfach ins Reich der Träume hinüber. Tiefe Dunkelheit umgab ihn. Trotz seines hervorragenden Nachtsehvermögens konnte Junker John nichts von dem Exprediger sehen. Jack Orville Dingletoon war der Boß-Junker vom Parthenon und hatte ihn ganz für sich allein und konnte sein ganzes Leben lang dort träumen, eine Knackerlake im Schlaraffenland, in dem die Böden mit Biskuit asphaltiert und die Wände aus Malzzucker und Kuchen und Torten waren.
Als er erwachte und feststellte, daß sich sein guter alter Schädel anfühlte, als hätte ihm jemand seine Schnüffelruten ins Hirn gestopft und verkehrt herum wieder herausgezogen, war es in der Tat Nacht oder zumindest vollständig dunkel um ihn. Seine hochempfindlichen Nachtaugen konnten nichts sehen, nicht einmal die Schnüffelruten vor seinem Gesicht. Er konnte nur versuchen, sich seinen Weg zu ertasten, und es war ein langsames, beschwerliches Vorankommen. Er hatte eine vage Erinnerung daran, daß er sich auf einer Arbeitsfläche in der Kochstatt des Parthenon befunden hatte, aber dort war er jetzt nicht mehr. Ekliges, klebriges Zeug und hartes rauhes Zeug, Schleim und Schmutz und Fett und Fiesigkeiten: Müll, jawohl, es war ein Mischmasch des übelsten Mülls, der Junker John umgab. Man sollte denken, eine Knackerlake könnte im Müll ihr Paradies finden, aber Junker John hatte das Gefühl, in der Hölle gelandet zu sein. Nichts von diesem Zeug war wirklich eßbar: Kaffeesatz, schwarz und feucht, stickig und stinkig. Schalen von Hühnereiern. Das ausgequetschte Fleisch und die Rinde einer Frucht, die er als das grüne Zeug identifizierte, das die Frau in Ihren Drink getan hatte. Mehrere Haarsträhnen der Frau. Aufgefegter Staub und Dreck und Schmiere, und nur das eine oder andere eßbare Teilchen. Mit Fühlern und Schnüffelruten forschte Junker John weiter und fand unidentifizierbare eklige Substanzen und Flüssigkeiten, und außerdem fand er die Leiche der Stubenfliege, der er früher begegnet war. Sie war von einer Fliegenklatsche zerschmettert worden und stank zum Himmel. Anderswo in diesem Gefängnis befanden sich leere Schachteln und zerknülltes Papier. Die Wände dieses Gefängnisses bestanden aus elastischem glattem pechschwarzem Material, das Junker John nicht durchbeißen konnte. Er stemmte sich dagegen, und es gab unter seinem Gewicht nach, aber nur leicht, dann federte es wieder zurück, wie um ihn zu verhöhnen. Er forschte in jede Richtung, aber das glänzende glatte schwarze Material hatte keinen Ausgang. Die eine Stelle, wo es faltig wurde und sich offensichtlich zu einem Ausgang verengte, war von außen dicht verschlossen.
»Josie?!« rief Junker John erbärmlich und vergebens. »Chid?!« heulte er. »Irgend jemand?!« versuchte er sein Glück. Er war allein und hatte den schlimmsten Kater, den er sich nur vorstellen konnte, und obwohl er nicht im Westen war, machte das kaum einen Unterschied, weil es keinen Ausweg gab, kein Entkommen, keine Möglichkeit, in die Welt der Leute und der Liebe
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