Tanz der seligen Geister (German Edition)
Ich erinnere mich daran, dass ich auf dem Badezimmerfußboden lag und die kleinen, sechsseitigen weißen Fliesen betrachtete, die zu einem so bewundernswerten und logischen Muster zusammengefügt waren, und sie mit der kurzen, brüchigen Dankbarkeit und Klarheit jemandes ansah, der sich gerade die Seele aus dem Leib gekotzt hatte. Dann erinnere ich mich, dass ich auf dem Hocker vor dem Telefon in der Diele saß und der Vermittlung langsam die Nummer von Joyce nannte. Joyce war nicht zu Hause. Ihre Mutter (eine ziemlich verhuschte Frau, der nichts aufzufallen schien – wofür ich ihr schwach und mechanisch dankbar war) sagte, dass sie bei Kay Stringer war. Ich wusste Kays Nummer nicht, also fragte ich einfach die Telefonistin; ich wagte nicht, ins Telefonbuch hinunterzuschauen.
Kay Stringer war nicht meine Freundin, sondern eine neue Freundin von Joyce. Sie war bekannt für eine gewisse Hemmungslosigkeit und eine lange Haarmähne in seltsamen, aber natürlichen Farben – von strohgelb bis karamellbraun. Sie kannte viele Jungen, die wesentlich aufregender waren als Martin Collingwood, Jungen, die von der Schule abgegangen oder in die Stadt importiert worden waren, um das Hockeyteam zu verstärken. Kay und Joyce ließen sich von diesen Jungen im Auto herumfahren und gingen mit ihnen manchmal – nachdem sie natürlich ihren Müttern etwas vorgelogen hatten – in die berüchtigte Tanzdiele am Highway nördlich der Stadt.
Ich bekam Joyce an den Apparat. Sie war völlig aufgedreht, wie immer, wenn Jungen um sie herum sind, und schien kaum zu hören, was ich sagte.
»Heute Abend kann ich nicht«, sagte sie. »Ich hab Freunde hier. Wir wollen Karten spielen. Kennst du Bill Kline? Der ist hier. Und Ross Armour …«
»Mir ist schlecht «, sagte ich und versuchte, deutlich zu sprechen; heraus kam ein unmenschliches Krächzen. »Ich bin betrunken . Joyce!« Dann stürzte ich vom Hocker, der Hörer fiel mir aus der Hand und schlug eine Weile lang trist gegen die Wand.
Ich hatte Joyce nicht gesagt, wo ich war, also rief sie nach kurzer Überlegung meine Mutter an, und mit Hilfe der umständlichen und unnötigen Vorwände, andenen junge Mädchen solche Freude haben, fand sie es heraus. Zusammen mit Kay und den Jungs – es waren drei – erzählte sie Kays Mutter irgendeine Geschichte, wo sie hinwollten, dann stiegen alle ins Auto und fuhren los. Als sie mich fanden, lag ich immer noch auf dem Teppichboden in der Diele; ich hatte mich wieder übergeben, und diesmal hatte ich es nicht ins Badezimmer geschafft.
Wie sich herausstellte, war Kay Stringer, die nur zufällig mitkam, genau die Person, die ich brauchte. Sie liebte Krisen, besonders eine wie diese, die etwas Zwielichtiges und Skandalöses an sich hatte und vor den Erwachsenen verheimlicht werden musste. Sie wurde hektisch, aggressiv und tüchtig; diese Kraft, die urtümlich genannt wird, entspringt einfach dem starken weiblichen Trieb, alle zu versorgen, zu trösten und zu beherrschen. Ihre Stimme drang aus allen Richtungen in meine Ohren, befahl mir, ich solle mir keine Sorgen machen, befahl Joyce, den größten Kaffeebecher aufzutreiben und mit Kaffee zu füllen (mit starkem Kaffee, sagte sie), und befahl den Jungs, mich aufzuheben und zum Sofa zu tragen. Später, in dem Nebel außerhalb meiner Reichweite, rief sie nach einer Scheuerbürste.
Dann lag ich auf dem Sofa, zugedeckt mit einer gehäkelten Tagesdecke, die die anderen im Schlafzimmer gefunden hatten. Ich mochte nicht den Kopf heben. Das ganze Haus roch nach Kaffee. Joyce kam hereinund sah sehr blass aus; sie sagte, dass die Kinder der Berrymans aufgewacht waren, aber sie hatte ihnen Kekse gegeben und sie wieder ins Bett geschickt, alles in Ordnung; sie hatte sie nicht aus ihrem Zimmer rausgelassen, wahrscheinlich würden sie sich an nichts erinnern. Sie berichtete, sie und Kay hätten das Badezimmer und die Diele sauber gemacht, aber auf dem Teppichboden sei bestimmt noch ein Fleck. Der Kaffee war fertig. Ich bekam das alles nicht so richtig mit. Die Jungs hatten das Radio angestellt und gingen die Plattensammlung der Berrymans durch; sie hatten die Schallplatten auf dem Fußboden ausgebreitet. Etwas daran fand ich seltsam, aber ich kam nicht darauf, was es war.
Kay brachte mir einen großen Becher voll Kaffee.
»Ich weiß nicht, ob ich kann«, sagte ich. »Danke.«
»Setz dich auf«, sagte sie resolut, als hätte sie es jeden Tag mit Betrunkenen zu tun und als hätte ich keinen Grund, mir
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