Tanz der seligen Geister (German Edition)
ist ein schreckliches Nervenbündel, ich weiß nicht, was der Schock ihr antun könnte. Ich falle auf die Knie, wenn Sie wollen, aber Sie dürfenmeine Mutter nicht anrufen!« Ich habe kein Bild von ihr auf den Knien – und sie hätte es ohne weiteres getan –, also scheint diese Drohung nicht in die Tat umgesetzt worden zu sein.
Mr. Berryman sagte zu mir: »Ich nehme an, du weißt, dass dein Verhalten heute Abend eine ziemlich ernste Sache ist.« Er hörte sich an, als könnte ich wegen sträflicher Vernachlässigung oder etwas Schlimmerem belangt werden. »Es wäre sehr falsch von mir, darüber hinwegzusehen«, sagte er. Ich nehme an, er war nicht nur stinkwütend auf mich, sondern machte sich auch Sorgen, weil er mich in diesem Zustand meinen sittenstrengen Eltern zurückbrachte, die immer sagen konnten, dass ich in seinem Haus an den Schnaps gelangt war. Den meisten Temperenzlern hätte das genügt, um ihn verantwortlich zu machen, und in der Stadt gab es viele Temperenzler. Gute Beziehungen mit der Stadt waren aber für ihn unter geschäftlichen Aspekten sehr wichtig.
»Ich bin überzeugt, es war nicht das erste Mal«, sagte er. »Wenn es das erste Mal gewesen wäre, welches Mädchen wäre dann schlau genug gewesen, drei Flaschen mit Wasser aufzufüllen? Keins. Aber in diesem Fall war eins so schlau, wenn auch nicht schlau genug, um vorauszusehen, dass ich dahinterkommen würde. Was sagst du dazu?« Ich machte den Mund auf, um zu antworten, und obwohl ich mich völlig nüchternfühlte, brachte ich nur ein lautes, trostlos klingendes Kichern heraus. Er hielt vor unserem Haus. »Es brennt noch Licht«, sagte er. »Jetzt geh rein und sag deinen Eltern die reine Wahrheit. Und wenn du es nicht tust, werde ich es tun.« Er sagte kein Wort davon, mich für meine Aufpasserdienste des Abends zu bezahlen, und mir kam das Thema auch nicht in den Sinn.
Ich ging ins Haus und versuchte, schnurstracks nach oben zu gelangen, aber meine Mutter rief mich. Sie kam in die Diele, wo ich kein Licht gemacht hatte, und sie muss mich sofort gerochen haben, denn mit einem Schrei schieren Entsetzens, als sähe sie jemanden hinfallen, stürzte sie auf mich zu und packte mich bei den Schultern, denn ich fiel tatsächlich gegen das Treppengeländer, überwältigt von so viel Pech, und ich erzählte ihr alles von Anfang bis Ende, ließ nicht einmal den Namen von Martin Collingwood und meinen Flirt mit der Aspirinflasche aus, was ein Fehler war.
Am Montagmorgen nahm meine Mutter den Bus nach Baileyville, fand das Spirituosengeschäft und kaufte eine Flasche Scotch. Dann musste sie auf den Bus zurück warten und traf Leute, die sie kannte, und es gelang ihr nicht völlig, die Flasche in ihrer Handtasche zu verbergen; sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie keine richtige Einkaufstasche mitgenommen hatte. Sobald sie zurück war, ging sie hinaus zu den Berrymans; sie aß nicht einmal Mittagbrot. Mr. Berryman war an dem Tag nicht in der Fabrik. Meine Mutter ging ins Haus, führte ein Gespräch mit dem Ehepaar, machte einen ausgezeichneten Eindruck und wurde schließlich von Mr. Berryman nach Hause gefahren. Sie redete mit ihnen in der unverblümten, emotionslosen Art, die sie hatte und die immer für Leute, die darauf gefasst waren, es mit einer Mutter zu tun zu bekommen, eine angenehme Überraschung war, und sie erzählte ihnen, dass ich in der Schule gut mitzukommen schien, aber in meiner Entwicklung außerordentlich zurückgeblieben oder vielleicht auch exzentrisch war. Ich vermute, dass diese Analyse meines Verhaltens besonders bei Mrs. Berryman, einer begeisterten Leserin von Büchern über Kindererziehung, gut ankam. Die Sympathie zwischen ihnen wuchs, so dass meine Mutter schließlich ein besonderes Beispiel für meine Schwierigkeiten beibrachte und mit entwaffnender Ehrlichkeit die ganze Geschichte mit Martin Collingwood erzählte.
Innerhalb weniger Tage sprach sich überall in der Stadt und in der Schule herum, dass ich versucht hatte, mir wegen Martin Collingwood das Leben zu nehmen. Da hatte sich schon überall herumgesprochen, dass die Berrymans am Samstagabend nach Hause gekommen waren und mich betrunken, torkelnd und mit nichts als einem Höschen an vorgefunden hatten, in einem Zimmer mit drei Jungs, wovon einer Bill Kline war. MeineMutter hatte gesagt, dass ich die Flasche, die sie den Berrymans gebracht hatte, von meinem Verdienst fürs Kinderhüten bezahlen musste, aber meine Kundschaft schmolz weg wie der letzte
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