Tanz der Sinne
schien eine Ewigkeit zu dauern, und Kit fror so, daß sie nicht sicher war, ob sie sich auf ihre Sinne verlassen konnte, aber schließlich erreichten sie die andere Seite des Grundstücks.
Lucien sprang und zog sich an der Mauer hoch.
Dann streckte er seine Hand aus, um ihr zu helfen. Jason sprang hinauf, ebenso wie Lucien.
Gutes Essen und regelmäßiges Reiten hatten einen Großteil der Kraft, die er im Gefängnis eingebüßt hatte, wiederhergestellt.
Nachdem sie sich auf der anderen Seite der Mauer heruntergelassen hatten, suchten sie nach ihren Pferden. Michael wartete schon auf sie.
»Sind Sie unverletzt?« fragte Kit.
»Vollkommen«, versicherte er sie. »Der beste Sport, seit ich aus der Armee ausgeschieden bin.«
Sie erschauerte, als sie ihren müden Körper aufs Pferd schwang. Wenn das seine Vorstellung von Sport war, überließ sie ihm neidlos das Vergnügen.
Sie ritten schweigend nach London zurück. Ihre Expedition war gut verlaufen, und sie waren mit heiler Haut entkommen. Es gab nur ein Problem.
Kit hatte immer noch keine Spur von ihrer Schwester gefunden.
Kapitel 33
Es war beinahe drei Uhr morgens, als sie wieder in Strathmore House ankamen, und Kit taumelte vor Kälte und Erschöpfung. Sie wollte sofort ins Bett gehen, aber Lucien sagte: »Es ist Zeit für eine Lagebesprechung.«
Seine Miene war finster, und der Stahl unter der charmanten Oberfläche kam zum Vorschein. Sein Blick ging von Michael und Jason zu ihr. »Können wir gleich reden, oder seid ihr zu müde?«
»Jetzt«, sagte Jason schroff. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.« Michael willigte mit stummem Nicken ein.
Wohl wissend, daß sie ebenso müde sein mußten wie sie selbst, richtete Kit sich auf. »Wenn alle weitermachen, kann ich das auch.«
»Tapferes Mädchen.« Lucien schenkte ihr ein Lächeln, das einen Gutteil Kälte aus ihren Knochen vertrieb. »Zuerst wollen wir uns umziehen. Wir treffen uns in der Küche.«
Eine Viertelstunde später saßen sie alle um den Küchentisch. Die Küche war ein behaglicher Raum, mit aromatischen Kräuterbündeln an den Deckenbalken und hellem Feuerschein, der sich in den Kupferkesseln spiegelte. Lucien hatte für etwas zu essen und zu trinken gesorgt. Kit trank ihre erste Tasse Tee in zwei kochendheißen Schlucken. Brot, Käse, Schinken und eine Schüssel dicke Linsensuppe gaben ihr fast das Gefühl, wieder ein Mensch zu sein.
Nachdem sie ihren Hunger gestillt hatten, schob Lucien seinen Stuhl zurück und stellte sich an den Kamin. Er warf eine Schaufel Kohlen ins Feuer und drehte sich zu den anderen um, während die Flammen hinter ihm aufflackerten. »Wir sind in einer Sackgasse«, sagte er schlicht. »Hat irgend jemand einen Vorschlag, was wir als nächstes tun sollen?«
Nach langem Schweigen sagte Michael: »Nur den, über den du und ich gesprochen haben – wir suchen die Hauptverdächtigen aus und zwingen sie zu reden.«
Entsetzt sagte Kit: »Durch Folter?«
Lucien sah sie an. »Wenn es nötig ist.«
Er meinte es ernst. Sie beugte den Kopf und preßte ihre Fingerspitzen an die Stirn. Allein aufgrund ihrer unbewiesenen Behauptung waren diese Männer – drei starke, fähige Männer –
bereit, jemandem, der möglicherweise unschuldig war, Schmerz zuzufügen. Der Gedanke war entsetzlich.
»Die Vorstellung ist nicht schön, Kit, aber vielleicht ist das unsere einzige Hoffnung«, sagte Lucien ruhig. »Gibt es einen Mann, den du für den Hauptverdächtigen hältst? Nunfield vielleicht, oder Mace?«
Sie hatte sich immer für eine zivilisierte Frau gehalten, aber offenbar hatte sie sich geirrt, denn sie ertappte sich dabei, wie sie Luciens Vorschlag ernsthaft erwog. Immerhin stand Kiras Leben auf dem Spiel. Die Gesichter der Verdächtigen zogen an ihr vorüber. Nachdem sie jeden sorgfältig erwogen hatte, sah sie auf. »Ich kann beim besten Willen keinen Hauptverdächtigen nennen.
Es tut mir leid. Ich würde es tun, wenn es möglich wäre.«
»Wir suchen nach einer Nadel im Heuhaufen«, sagte Michael wütend. »Das einzige, was wir sicher wissen, ist, daß Lady Kristine nach einer Vorstellung auf offener Straße entführt worden ist. Dafür gibt es einen Zeugen. Alles andere sind Spekulationen aufgrund von Kits Intuition.«
»Glaubst du ihr nicht?« fragte Lucien in neutralem Ton.
»Doch, doch. Intuition ist manchmal präziser als Logik. Die Frage ist: wie können wir uns Kits Fähigkeit, ihre Schwester zu finden, zunutze machen?«
Es war dieselbe Frage, die Lucien
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