Tanz der Verführung
müssen, dass sie ihren Bruder falsch eingeschätzt hatte.
Fane ließ sich auf seinen Stuhl fallen und küsste sie auf die Wange. »Liebste.«
»Mylord.«
Er goss Wein in den silbernen Kelch, der vor ihr stand. »Hattet Ihr einen schönen Morgen? Habt Ihr Euch die Zeit vertrieben, ohne Euch in Gefahr zu bringen?«
Er scherzte, doch sie wirkte ganz offensichtlich angespannt. Dann milderte sich ihr Gesichtsausdruck, und sie schmunzelte. »Mylord, die einzige Gefahr, die mir droht, seid Ihr.«
Kichernd beugte er sich zu ihr und flüsterte ihr eine kleine Anzüglichkeit ins Ohr.
Plötzlich übertönten laute Schritte das Gerede im Saal. »Mylord!«
Fane brach mitten im Satz ab und sah in die Richtung, aus der der Tumult kam. Bewaffnete Wachen rannten mit gezückten Schwertern auf sie zu.
Es wurde still im Saal.
»Was ist vorgefallen?«, schnaubte Fane.
»Villeaux«, sagte einer der Wächter. »Er und die anderen Gefangenen sind aus dem Kerker geflohen.«
»
Was?
« Fane knallte den Krug auf den Tisch. Der Wein schwappte über und ergoss sich auf die Tischdecke.
»Sie sind im Außenhof. Villeaux hat ein Messer. Sie haben Geiseln genommen.«
Rexana keuchte. »Nein!«
Fane konnte seine Wut kaum im Zaum halten und sprang auf. »Wie konnte das passieren? Ich hatte doch Befehle gegeben …«
»Ich weiß es nicht, Mylord.«
Er knurrte und blickte dann auf Rexanas aschfahles Gesicht herab. Ärger und Betroffenheit schnürten ihm die Kehle zu. Verfluchter Villeaux, er hatte also eine Auseinandersetzung provoziert und Geiseln genommen. Die Lage versprach keine schnelle Festnahme, denn das konnte nur zu Blutvergießen führen.
Wie zum Teufel hatten die Verräter aus ihren Zellen fliehen können?
Er riss seinen mit Juwelen besetzten Dolch aus dem Futteral.
Rexana schlug sich die Hand vor den Mund. »Was habt Ihr vor?«
»Was getan werden muss.«
Sie stieß ihren Stuhl zurück. »Ich komme mit Euch.«
»Ihr bleibt hier.«
Mit hochrotem Gesicht ging Fane um den Tisch herum, stieg vom Podest herab und durchquerte den Saal. Die bewaffneten Wachen folgten ihm. Er hastete die Stufen der Vorburg hinab und riss die Tür zum Außenhof auf.
In der Nähe der Ställe sah er Villeaux, der eine weite Hose und einen braunen Umhang trug. Sein rechter Arm lag um den Hals eines Jungen. Fane sah, dass es sich um einen der Stallburschen handelte. An seiner Kehle glänzte ein Messer.
Ein Essdolch.
Fanes Züge verfinsterten sich. Er hatte den Gefangenen jegliches Werkzeug untersagt. Wer hatte es gewagt, sich seinem Befehl zu widersetzen? Blinder Zorn packte ihn. Er würde es herausfinden und denjenigen teuer dafür bezahlen lassen.
Ein schmerzerfülltes Ächzen ließ seinen Blick zu den anderen drei Verrätern gleiten, die neben Villeaux standen. Sie hatten Schwerter in der Hand, die sie den Wachen abgenommen hatten, und standen über einem der Wachmänner, den sie zu Boden gezwungen hatten. Blut rann sein Gesicht herab. Er kniete im Staub und wippte von einer Seite zur anderen, als drohte er, ohnmächtig zu werden.
Gemessenen Schrittes ging Fane zu Rudd. »Lasst den Jungen laufen.«
Rudd lächelte und hielt das Messer höher. Die Augen des Stallburschen glänzten vor Furcht. »Er wird mit mir kommen, ich werde ihn nicht freilassen und zulassen, dass Ihr mich tötet.«
In der Nähe hörte Fane eine Frau kreischen. Die Mutter des Jungen. Ihre Schreie verwandelten sich in ein hysterisches Schluchzen.
»Mutter«, rief der Junge mit vor Angst verzerrtem Gesicht und Tränen in den Augen.
Fane spürte, dass Rexana in den Außenhof gekommen war. Für einen kurzen Augenblick, nicht länger als ein Wimpernschlag, sah Rudd zu ihr herüber, dann blickte er wieder Fane an.
Rexanas Anwesenheit brachte Fane trotz seines anschwellenden Ärgers aus dem Konzept. Er hatte ihr befohlen, im Saal zu bleiben, um sie vor dem bevorstehenden Kampf zu schützen. Wollte sie wirklich mit ansehen, wie er ihren Bruder mit roher Gewalt unterwarf?
Enttäuschung bohrte sich wie eine Eisenfaust in Fanes Rippen. Doch er unterdrückte seine Gefühle und wog seine Möglichkeiten ab. Die Bogenschützen auf den Festungsmauern konnten zwar die drei Männer erschießen, aber nicht Villeaux, ohne den Jungen zu verletzen. Tangstons Krieger konnten die Flüchtigen überwältigen, doch auch dabei konnte der Junge verletzt oder sogar getötet werden. Ebenso wie der Wächter.
Der Knoten in Fanes Magen zog sich enger zusammen. Sollte er riskieren, ein wehrloses Kind
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