Tanz der Verführung
Fanes Lippen. Schade, dass sein Vater nicht mehr erleben konnte, wie sehr er sich in seinem »völlig nutzlosen« Sohn geirrt hatte.
Auf einmal stach ihm ein glitzerndes Kleidungsstück in der Nähe des hölzernen Treppenabsatzes ins Auge. War das die Tänzerin? Nein, ein Edelmann in einem bestickten Gewand in den Farben ihres Kostüms. In diesem Augenblick lag sie wohl schon oben auf seinem Bett und wartete darauf, dass er ihr Vergnügen bereitete. Fanes Puls beschleunigte sich. Eine weitere Pflicht, die er nicht vernachlässigen würde.
Er legte seinen Dolch beiseite und stand auf.
»Ihr verlasst uns schon, Mylord?« Darwell wies mit der Hand auf die Gaukler. »Sie haben doch ihren Auftritt noch gar nicht beendet.«
Fane lächelte. »Dringende Verpflichtungen erwarten mich.«
Als Rexana die Treppe erklomm, die sich über den Saal erhob, fühlte sie ihr Herz rasen. Gelächter drang zu ihr herauf. Sie folgte Winton in einen mit Fackeln beleuchteten Gang und blickte dabei durch die Rauchschwaden zu den Gauklern zurück, die vor dem Podium herumsprangen und dabei Holzbretter auf dem Kopf balancierten.
Ohne dass sie es vermeiden konnte, wanderte ihr Blick zu Linford. Sein schwarzes, ungebändigtes Haar glänzte, als er sich zu Darwell neigte. Selbst aus dieser Entfernung strahlte er eine Aura von roher Autorität und scharfem Verstand aus, die keinen Zweifel daran ließ, dass dieser Mann keinen Betrug duldete, vor allem nicht innerhalb seiner eigenen vier Wände.
Sie musste Henry unbedingt warnen. Und zwar schnell.
Da kam ihr eine Idee.
Mit beiden Händen hob sie ihren Rock und lief Winton eilig hinterher. Als ihre nackten Füße eine unebene Stelle im Holzboden berührten, durchfuhr plötzlich ein stechender Schmerz ihre Ferse. »Erbarmen!«
Winton blieb stehen und sah sie an. »Was ist mit Euch?« Sie biss sich auf die Lippen. Ihr Plan sah zwar keinen Splitter vor, doch sie konnte die Verletzung auch zu ihrem Vorteil nutzen. Sie hob ihre Stimme, um den Lärm im Saal zu übertönen, und rief: »Mein Fuß. Ich schwöre, es muss ein Schiefer sein.«
Oh, Henry! Bitte höre meine Stimme. Wenn du noch in den Gemächern bist, so verstecke dich. Jetzt gleich!
Wimmernd hob sie ihren Fuß. Wenn sie Winton davon überzeugen konnte, dass sie gestützt werden musste, konnte sie die Ankunft in den Gemächern für ein paar wertvolle Augenblicke aufschieben.
Verärgert verzog Winton das Gesicht.
»Kommt jetzt. Wir können Eure Wunde im Gemach verarzten.« Er drehte ihr den Rücken zu und lief weiter den Gang entlang.
Sie fluchte leise. Der Diener ließ sich nicht aufhalten – nun, sie auch nicht. Während sie hinter ihm herhinkte, fingerte sie an dem Verschluss ihres Armreifs herum. »Wie weit ist es denn noch bis zu Mylords Gemächern?«
Winton zeigte auf zwei breite Eichentüren zu seiner Rechten. Im Licht der brennenden Fackeln sah sie zwei bewaffnete Wächter stehen. Wie Henry wohl an den Posten vorbeigekommen war? Oder hatte er es etwa nicht geschafft? Was würde geschehen, wenn …?
Sie verdrängte ihre angsterfüllten Gedanken. Ein kluger Mann wie Henry würde schon einen Weg gefunden haben. Eine Unaufmerksamkeit. Eine List. Wie dem auch sei, würde er jetzt versuchen, aus dem Gemach zu laufen, würde man ihn gefangen nehmen oder sogar töten.
Jetzt hatte sie nur noch eine letzte Möglichkeit, um ihn zu warnen.
»Sind
das
die Gemächer?« Sie hob ihre Hand und wiederholte Wintons Geste. Der Armreif flog durch die Luft, schlug gegen eines der hölzernen Paneele und landete dann mit einem lauten Klirren auf dem Boden. Sie heuchelte äußerstes Erstaunen. »Der Goldschmied hat mir versichert, dass er den Verschluss repariert hat. Ich werde ihn wohl zur Rede stellen müssen.«
Ein Seufzer kam über Wintons schmale Lippen. Er rollte die Augen, bückte sich und hob das Schmuckstück auf.
Versteck dich, Henry. Versteck dich! Versuche nicht zu fliehen!
Der Diener überreichte ihr den Armreif.
»Danke«, murmelte sie. Erleichtert stellte sie fest, dass der Schmuck durch den Fall nicht beschädigt worden war. Während sie ihn wieder um das Handgelenk legte, drückte Winton die eisernen Griffe der Tür herab, stieß sie auf und winkte Rexana herein.
Als hätte sich eine geheimnisvolle Schachtel geöffnet, wurde sie von exotischen Düften umhüllt. Sie gemahnten daran, dass sie nun Linfords Gemach betrat, in dem Gefahr, verbotene Versuchungen und Verlangen lauerten. Ein Schauder lief ihr über den
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