Tanz der Verführung
Ihr damit?«
Seine Augen glänzten feucht. Waren da etwa Tränen der Beschämung oder des Bedauerns? Vielleicht war er doch nicht gegen alle Überredungskünste gefeit, wie Fane zunächst geglaubt hatte. Es wäre eine Schande, einen so aufgeweckten, begabten Jungen zum Tode zu verurteilen.
Fane wählte seine Worte sorgfältig und erklärte: »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr erst kürzlich ein beachtliches Anwesen geerbt habt. Viele Leibeigene und Lords hängen von Eurer Herrschaft ab. Und Ihr seid für das Wohl Eurer noch unverheirateten Schwester verantwortlich.«
»Rexana«, sagte der Junge.
»Ja, Lady Rexana.« Das Bild von Darwell, wie er die dicke Orange in seiner Hand liebkoste, erschien kurz vor Fanes innerem Auge. Vielleicht würde er die schöne Lady ja bald selbst kennenlernen.
Villeaux’ Blick wurde eindringlich. »Wagt es nicht, sie anzurühren …«
»Ich habe nicht vor, ihr etwas anzutun«, erwiderte Fane leichtfertig. »Trotzdem hängt ihr Schicksal von dem Euren ab, nicht wahr? Solltet Ihr als Verräter sterben, beschmutzt Ihr nicht nur Eure, sondern auch ihre Ehre. Der König wird Eure Besitztümer beschlagnahmen lassen und sie einem anderen Lord übereignen. Was soll dann aus Rexana werden?«
Die Lippen des Jungen zitterten. Sein Blick riss sich von Fane los und schoss zu den anderen Verrätern. »Was kümmert Euch das schon?«
Fane zuckte die Achseln. »Ich bin ihr noch nicht einmal begegnet, aber ich könnte schwören, dass sie Euch wichtig ist. Ihr tätet gut daran, an sie zu denken, falls Ihr das nicht schon getan habt, bevor Ihr endgültig entscheidet, ob Ihr mit uns zusammenarbeiten wollt.«
Erneut spürte Fane die Brosche in seiner geschlossenen Hand. Ihr warmes Metall schien wie ein Versprechen. Noch bevor dieses Treffen zu Ende war, würde er eine Antwort auf die Frage haben, die ihn wie ein lästiges Insekt nicht in Ruhe ließ.
Seine Gedanken kehrten wieder zu der Tänzerin zurück, die auf seine Rückkehr wartete, und Verlangen brachte sein Blut in Wallung. Er bemühte sich, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Da gibt es aber noch eine andere Frau, die Ihr in Betracht ziehen müsst.« Fane änderte seinen Griff um die Brosche, nahm den kleinen Pfeil von der Spitze bis zum gefiederten Ende zwischen seine Finger und hob die Hand. Dann hielt er das Schmuckstück dicht an die Gitterstäbe.
In dem schattigen, rauchigen Licht sah er, wie Rudd erblasste.
»Wo habt Ihr …«
»Reizendes Weib, nicht wahr? Herrliche Brüste. Lange Beine …«
»
Weib?
« Ketten rasselten, ein grauenhaftes Geräusch.
»Wie könnt Ihr es wagen, so von ihr zu sprechen? Bei Gott! Wo ist sie?«
Ein Gefühl des Triumphes stieg in Fane auf. Endlich hatte er ein Druckmittel gefunden. Aber er hatte auch mit Schrecken bemerkt, dass Villeaux die Tänzerin wichtiger zu sein schien als seine Schwester. »Sie erwartet mich in meinem Schlafgemach«, sagte Fane und hielt dem bestürzten Blick des Jungen stand. »Ich kann es kaum erwarten, sie zu verführen.«
Villeaux stürzte nach vorn, bis er das Ende seiner Ketten erreicht hatte. Er kochte vor Wut und Verzweiflung. »Ihr werdet sie nicht antasten, Linford, oder ich schwöre bei Gott, dass ich Euch töten werde.«
Fane lachte. Er lehnte sich mit einer Schulter gegen die Gitterstäbe und tat die Drohung mit einem Fingerschnalzen ab. »Die Tänzerin hat mir erzählt, dass Ihr es wart, der ihr diesen Tand gegeben hat. Was bedeutet sie Euch wirklich? Ihr seht ja, dass ich sie nun für mich beanspruche.«
Die Augen des Jungen verengten sich zu wütenden Schlitzen. »
Tänzerin?
Ihr seid wohl von Sinnen. Diese Brosche gehört meiner Schwester. Ich habe einen Goldschmied für die Anfertigung bezahlt und sie ihr eigenhändig überreicht.«
Ein warnendes Summen ertönte in Fanes Hinterkopf, wie eine surrende, blutsaugende Pferdebremse. Dann ergriff ihn mit einem Schlag fassungslose Wut. Er stieß das Wort »Schwester« hervor.
Der Junge nickte. »Rexana.«
Zorn kochte in Fane, wilder und heftiger als das Verlangen. Seine Finger umklammerten die Brosche. All die exotischen Geheimnisse der Tänzerin schwanden dahin, verpufften wie der dünne Rauch eines Räucherstäbchens.
Verdammter Idiot! Vieles in ihr war widersprüchlich gewesen, das hatte er gespürt, doch er hatte es nicht beachtet. Er hatte seinem Verlangen gestattet, seinen Verstand auszuschalten – ein Fehler, der ihn vor wenigen Monaten noch das Leben gekostet hätte.
Villeaux’ Stimme
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