Tanz der Verführung
herausfordernden Blick in die Zelle. Doch zu seiner Überraschung machte Villeaux keinerlei Anstalten, zu sprechen, seine Unschuld zu beteuern, seinen Kopf zu senken, zu schluchzen oder zu zittern. Ähnlich wie die Tänzerin hatte er auffallend grüne Augen, die vor Verachtung glühten.
Ja, er würde wirklich Ärger bringen.
Im Halbdunkel sah Villeaux nicht älter als fünfzehn aus. In seinem sommersprossigen Gesicht spiegelte sich jungenhafte Unschuld, obwohl sein aufgeweckter Blick ihn älter erscheinen ließ. Als Fane seine Hand um einen der waagrechten Gitterstäbe legte, zuckte Villeaux zusammen und ballte seine gefesselten Hände, die unter den schmutzigen Ärmeln seines Gewandes kaum zu erkennen waren, zu Fäusten. Sein Rücken reckte sich. Fane musste ein Schmunzeln unterdrücken. Nun, neben seiner Torheit hatte der Junge jede Menge Stolz.
Das kalte Eisen kühlte seine Hand. Er wartete. Er würde nicht als Erster den Blick abwenden. Unsicherheit machte sich in Villeaux’ intelligenten Augen breit, doch dann verfinsterte sich sein Antlitz wieder. Er blies sich die braunen, verfilzten Haare aus dem Gesicht und machte einen Schritt nach vorn. Dann noch einen. Die Eisenketten schleiften über den dreckigen Boden, bis sie zum Zerreißen gespannt waren.
Wieder tauchte eine Erinnerung in Fanes Gedanken auf. Auch er war einst ein angeketteter Häftling gewesen, der seinen sarazenischen Fängern von der anderen Seite der Gitterstäbe in die Augen blicken musste. Doch er schob den beunruhigenden Gedanken beiseite. Er würde keine falschen Vergleiche zwischen seiner Gefangenschaft und der von Villeaux ziehen. Er durfte mit einem Verräter kein Mitgefühl haben.
»Seid Ihr Linford?«, zischte der Junge zwischen den Zähnen hervor.
»Ich bin High Sheriff Linford«, antwortete Fane schroff. »Ihr werdet mich mit Respekt behandeln, Lord Villeaux.«
Der Bursche schnaubte vor Empörung. »Lasst mich frei.«
Ärger stieg in Fane hoch, doch er erstickte das Gefühl. Vorerst. »Ich kann Euch nicht gehen lassen. Ihr wurdet bei einem heimlichen Treffen mit anderen Verrätern verhaftet.«
»Ich bin kein Verräter.«
»Ist das wahr?« Fane griff unter den Saum seines Wamses, zog ein dünnes, zusammengerolltes Pergament hervor, das er unter seinen Gürtel gesteckt hatte, und entfaltete es. Er hielt es an beiden Enden fest und drückte es gegen die Gitterstäbe.
»Kennt Ihr dieses Schriftstück? Es enthält die Namen der Verschwörer, die den Sturz des Königs planen. Hier unten ist Eure Unterschrift.«
Schweißperlen schimmerten auf Villeaux’ Stirn. Sein Blick unter dem zerzausten Haar wurde kalt. »Wo habt Ihr das her?«
»Ich habe eben meine Quellen.«
Villeaux kniff den Mund zusammen. »Was wollt Ihr von mir?«
Aha, da war er, der Knackpunkt. »Zunächst erwarte ich von Euch, dass Ihr den Wachen gehorcht und dass Ihr mir meine Fragen beantwortet, mir alles erzählt, was Ihr wisst, und mir die Namen aller Verräter nennt, die sich gegen den König verschworen haben.«
»Werdet Ihr mich dann laufen lassen?«
»Wir werden dann über Eure Bestrafung entscheiden.«
Die Augen des Jungen flackerten, als empfände er diese Äußerung als eine Beleidigung. Dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte. Sein frecher Ton reizte Fane bis ins Mark.
»Eure Lage ist nicht zum Lachen.«
Villeaux’ Lippen kräuselten sich zu einem spöttischen Grinsen. »Wisst Ihr überhaupt, wie einflussreich mein verstorbener Vater war, Sheriff? Er gehörte zu König Richards engsten Vertrauten und Beratern und war mit seinen Ministern persönlich bekannt.«
»Euer Vater ist tot. Ein äußerst bedauerlicher Verlust.«
Angst verschleierte nun den Blick des Jungen. Er drehte den Kopf zur Seite und starrte an die schimmlige Wand.
»Ihr tut nicht gut daran, mich zu reizen, mich zum Narren zu halten und so Euer junges Leben aufs Spiel zu setzen.« Fane trat von den Gitterstäben weg und steckte das Schreiben wieder in seinen Gürtel. Seine Worte verbargen seinen Ärger nicht. »Oder wollt Ihr vor das königliche Gericht gestellt und geköpft werden? Sagt mir, was Ihr wisst, und ich werde mich vielleicht für ein mildes Urteil einsetzen.«
»Zur Hölle mit dir, Bastard.«
Fane lachte und glättete sein Wams. »Na schön, macht, was Ihr wollt, aber denkt zumindest an die Konsequenzen.« Dann senkte er die Stimme zu einem Flüstern und fügte hinzu: »Und daran, dass es nicht nur um Euch geht.«
Villeaux’ Kopf wirbelte herum. »Was meint
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