Tanz des Lebens
Arm und lachte sie erleichtert an.
»Es tut mir leid«, sagte der Junge und ergriff ihre Hand. »Ich möchte mich für diese Situation entschuldigen. Mein Name ist Liam Noyee und das ist mein Bruder Quin. Normalerweise begrüßen wir unsere Gäste auf eine andere Art«, sagte er mit einem strafenden Blick hinter sich. »Und Quin ist normalerweise auch nicht so feindlich gesinnt.«
Bei seinen Worten kniff Faye die Augen zusammen und konnte es kaum fassen. Ungläubig betrachtete sie Quin. Auf sie machte dieser Typ einen absolut spaßfreien Eindruck. Er wirkte wie jemand, der das Wort Freundlichkeit noch nicht mal buchstabieren konnte. Vermutlich war Hannibal Lecter aus dem Film "Das Schweigen der Lämmer" sein bester Kumpel. Dessen starre Maske erinnerte auch an eine Gesichtslähmung, die keinerlei Gefühle zeigte. Wahrscheinlich war dieser arrogante Kerl hier mit ihm verwandt. Quin erwiderte ihren abschätzenden Blick herausfordernd und grinste böse.
»Also«, fuhr Liam fort, »warum gehen wir nicht rein und ihr erzählt uns den Grund eures Kommens. Vielleicht können wir euch helfen.«
Erleichtert nickte Faye. Sie hatte nicht vorgehabt, sich von einem gefühllosen Macho einschüchtern zu lassen; nicht wenn es um das Leben ihres Bruders ging. Mit einem Stirnrunzeln löste sie den Blick von Quins wie in Stein gemeißeltem, ausdruckslosem Gesicht, ergriff energisch die Hand ihres Bruders, quetschte sich mit Luke im Schlepptau an ihm vorbei und folgte Liam ins Haus.
Zutraulich drückte sie Lukes Hand. In einer fremden Umgebung war er anfangs immer unsicher und verließ sich voll und ganz auf ihre Instinkte. Aber sie bemerkte an seiner steifen Haltung, dass er die gereizte Stimmung von zumindest zwei Menschen sehr wohl gefühlt hatte, und bekam ein schlechtes Gewissen deswegen. Unterdessen war Liam ins Wohnzimmer vorausgegangen, das den beruhigenden Charme eines gemütlichen Chalets verströmte.
Das Zimmer war ganz im feinsten Asia-Stil mit einem polierten Teakholzfußboden und unzähligen wunderschönen asiatischen Kunstgegenständen eingerichtet. Die mannshohen Schiebetüren aus hölzernen Lamellen, die das Wohnzimmer einrahmten, waren zur Gartenseite der umlaufenden Terrasse hin geöffnet. Der warme Pazifikwind von draußen spielte mit den hauchzarten elfenbeinfarbenen Vorhängen. Der Raum glich mehr einem großen Saal, verströmte aber trotzdem so viel Behaglichkeit, dass Faye fast vergaß, dass sie eben noch bedroht worden war. An der linken Wand stand ein massiver Einbauschrank und daneben befand sich eine kleine, abgetrennte Küchenzeile.
Unter der südlichen Fensterfront hingen lange Holzregale, auf denen unzählige Kerzen und Räucherstäbchen standen. In der gegenüberliegenden Ecke erblickte Faye einen imposanten massiven Kamin. Und davor erstreckte sich eine breite, zum Kuscheln einladende Ruhelandschaft, die mit einer flauschigen Felldecke und unzähligen farbenfrohen Kissen bedeckt war.
»Möchtet ihr einen Becher Tee?«, fragte Luke und begab sich in die Küche. Augenscheinlich bemühte er sich nach Kräften, den schlechten ersten Eindruck durch seinen Bruder wieder wettzumachen.
»Ja, gerne, dann ziehen sich die angstgeweiteten Adern meiner Schwester vielleicht wieder ein bisschen zusammen«, ließ sich Luke vernehmen und neigte seinen Kopf herausfordernd in Quins Richtung. Dieser murmelte irgendetwas Unverständliches. Dann lehnte er sich an den Küchentresen und verschränkte die Arme vor der Brust. Unterdessen setzte Liam den Wasserkocher auf und nahm das Gespräch wieder auf, indem er über belanglose Dinge redete.
Ein Pfeifton erklang, als das Wasser kochte. Schweigend füllte er vier Becher und sofort durchzog ein würziger Duft den Raum. »Kommt, setzt euch, dann wird es Faye gleich wieder besser gehen.«
Er ging vor und zog den kleinen Beistelltisch vor die Sofaecke. Faye nahm im Schneidersitz Platz, lehnte ihren Rücken gegen die kuscheligen Kissen und begann vorsichtig den heißen Tee zu schlürfen. Langsam fühlte sie, wie durch ihre Arme wieder das Blut zu pulsieren begann.
»Nun«, fragte Liam nach einer Weile, »wie können wir euch helfen?«
Zögernd schielte sie zu ihm. Er hatte sich in die andere Sofaecke gekuschelt, spielte gedankenverloren mit dem kleinen silbernen Löffel und betrachtete sie mit einem vertrauensvollen, gütigen Lächeln.
»Also, Luke … Es geht um meinen Bruder«, begann sie stockend. »Er hat ein Problem. Ich denke, dass er ein Nat-Siegel hat.«
In
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