Tanz des Lebens
Violet ihre ziemlich einseitige Unterhaltung, »ich muss jetzt weg. Es wäre schön, wenn du vor dem Abendessen noch duschtest. Und vergiss nicht, dich mit der Salbe einzureiben, die dir Mason für deine Brandblasen dagelassen hat. Du siehst aus wie ein Freak.«
Faye überhörte das Kompliment und gab ausnahmsweise keine freche Antwort. Sie war von den Ereignissen des Tages so erschöpft, dass sie nicht mehr gegen ihre Mutter ankämpfen konnte. Mit ein paar belanglosen Floskeln verabschiedete sie sich und loggte sich bei Skype aus. Immer noch etwas wackelig auf den Beinen drehte sie sich um und ging die Treppe hoch. Im Bad schloss sie sich ein, lehnte sich gegen die Tür und betrachtete sich im Spiegel.
Was ihr entgegenblickte, ließ sie nicht gerade jubeln. Ihr langes dunkles Haar klebte an ihrer Stirn und kringelte sich in feuchten Lockensträhnen über ihren Rücken. Ihr schmales Gesicht wirkte blass und ließ ihre haselnussbraunen Augen mit den langen, dichten Wimpern noch größer erscheinen. Zögernd ging sie näher an ihr Spiegelbild heran. Ihre normalerweise hellbrauen Pupillen waren mit glühenden, grünen Sprenkeln durchzogen. Dazu waren ihre Hände und Arme mit stecknadelgroßen, purpurfarbenen Punkten übersät.
Sie schienen mit ihren Hautporen zu verschmelzen, so als wollten sie alle Lebensenergie aus ihrem Körper saugen. So sieht also ein Freak aus, dachte Faye und ließ den Tiegel mit der Hautsalbe scheppernd ins Waschbecken fallen. Noch immer hatte sie keine Erklärung dafür, woher diese wandernden blutigen Flammenpunkte jedes Mal kamen, aber sie wusste, dass sie nur auf eine einzige Art wieder weggingen – genauso wie sie wusste, dass sie sich mit jedem Mal ein bisschen mehr von der Normalität entfernte.
Müde hob sie ihre Arme und schälte sich aus dem schmutzigen Pulli. Anschließend zog sie die Jeans aus, ließ sie auf die Fliesen fallen und stellte die Wasserstärke durch Drehen des Duschkopfes ein. Sie fühlte sich krank, ausgelaugt und unwohl. Mit geschlossenen Augen genoss sie den warmen Wasserstrahl, der mit leichtem Trommeln auf ihrem Körper prasselte.
Mit jedem Wassertropfen, der ihre Haut berührte, merkte sie, wie ihre Energie langsam zurückkam. Ihr Körper regenerierte sich mit jeden Flammenpunkt, der weggespült wurde.
4
Verzehrende Träume
V erzweifelt stemmte sie sich gegen den Wind, der an ihrer Kleidung zerrte, ihr langes, braunes Haar zerzauste, und schäumende Gischttropfen wie Hagelkörner in ihr blasses Gesicht peitschte. Angst kroch in ihr hoch. Während die Brecher des Pazifiks donnernd an die zerklüfteten Felsenklippen schlugen, verfärbte sich der eben noch strahlendblaue Himmel in ein metallenes Scharlachrot. Die Erscheinung nahm jetzt die Züge einer Kreatur mit kurzen, blonden Haaren an, die inmitten des lodernden Flammenkreises auf sie zukam.
Unheilvoll hob er seine Arme. Zeitgleich bäumten sich die Elemente im Meer zu einem tosenden Ansturm auf; der Wind verwandelte sich zu einem orkanartigen Sturm, der sie nach hinten drückte. »Du kannst mich nicht aufhalten!«, schrie eine fremde Stimme mit wütendem Gebrüll, während eine elementare Kraft versuchte sie mit aller Macht in die Tiefe zu reißen.
Sie spürte, wie sie vor Erschöpfung zu wanken begann. Ihr entsetzter Aufschrei wurde jäh erstickt, als ein erneuter heftiger Windstoß an ihr zerrte – und sie abrupt von der Felsenklippe in die bodenlose Tiefe riss. Eine Gischt aus weißen Wasserfontänen spritze auf, als ihr schlanker Körper hart auf den tosenden Wellen aufschlug. Ein raues schmerzvolles Keuchen entrang sich ihren aufgesprungenen Lippen.
Instinktiv hielt sie den Atem an und versuchte nicht zu viel Meerwasser zu schlucken. Aber es war zu spät. Die aufgepeitschte Flutwelle schlug tosend über ihr zusammen – und verwandelte sich binnen Sekunden in eine spiegelglatte Oberfläche zurück. Sie war von vollkommener Stille umgeben und sogleich liebkosten sie die warmen Wellen, umwarben ihre schwindenden Kraft und ihre berstenden Lungen wie einen beschützenden Kokon.
Kraftlos hörte sie auf, dagegen anzukämpfen. Sie merkte, wie ihr schlaffer Körper wie in Zeitlupe durch das türkise Wasser Richtung Meeresboden in die Tiefe sank, registrierte teilnahmslos, dass die Unterversorgung mit Sauerstoff ihr Gehirn angriff und ihr Herzschlag sich rapide beschleunigte. Langsam glitt ihr Körper immer weiter in die dunklen, undurchsichtigen Korallenriffe hinab.
Nach einer Ewigkeit nahm sie
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