Tanz des Lebens
Nach einer Weile hob er ihr Gepäck von der Straße auf, umfasste ihre Hand und öffnete die Beifahrertür. »Komm, lass uns nach Hause fahren, dort wartet noch jemand sehnsüchtig auf dich.«
Bei der nächsten Ausfahrt lenkte er den Wagen auf den Highway 1, statt auf der Interstate 101 im Inland zu bleiben. Faye liebte diese einzigartige, spektakuläre Big-Sur-Route, wo die Küstenberge weit in den Pazifik reichten, während ihre Gipfel in den Wolken versteckt waren.
Zufrieden lehnte sie sich im Sitz zurück, kurbelte das Fenster herunter und genoss nach so vielen verregneten Tagen in England endlich wieder das Gefühl der wärmenden Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht und die vertraute Umgebung entlang der Berge mit ihren Felsen, hohen Klippen und einsamen Stränden, versteckt in winzigen Buchten.
Eine halbe Stunde später erreichten sie den kleinen Küstenort und fuhren wenig später einen schmalen Pfad hoch. Das zweistöckige Strandhaus stand auf einer Klippe. Um das Haus schmückte eine bunte Wildblumenwiese den Hügel mit Blick über die Bucht. An der himmelblauen Außenfassade kletterte wilder Jasmin, zwischen unzähligen duftenden Blumenranken.
Und auf der weißen umlaufenden Terrasse stand noch immer Fayes alter, gemütlicher Schaukelstuhl. Während ihr Vater damit beschäftigt war, ihren Rucksack aus dem Kofferraum zu holen, stieg Faye aus. Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich an den Wagen und atmete tief die süße, vom Blumenduft getränkte Meeresluft ein.
Nach einer kleinen Weile folgte sie ihrem Vater ins Haus. Er telefonierte. Nachdem er geendet hatte, sah er sie mit einem entschuldigenden Seitenblick an. »Es tut mir leid, kleine Faye, aber ich muss noch mal ins Büro fahren.«
Achselzuckend streifte sie sich die Ballerinas von den Füßen und drehte sich zu ihm um. »Keine Sorge, Dad. Du musst dich wegen mir nicht abhetzen. Ich komm schon zurecht, das weißt du doch.«
Erleichtert verstrubbelte er ihr Haar. »Ja, du bist meine große Tochter.«
»Ich bin deine einzige Tochter«, korrigierte sie ihn kichernd. Gutmütig nahm sie ihm den Schlüssel ab, gab ihm einen Kuss auf die Wange und schob ihn winkend aus der Tür.
»Es wird nicht lange dauern, versprochen. Ach, noch was, Faye. Achte bitte darauf, dass dein Bruder nicht mit Feuer spielt. Neulich hat er fast die gesamte Küche abgefackelt, dein Onkel konnte das Schlimmste gerade noch so verhindern.«
»Ok.« Erstaunt nickte Faye und an den Türrahmen gelehnt wartete sie, bis er seinen Wagen gewendet hatte. Doch ehe sie die Tür wieder schließen konnte, ertönte ein Hupen in der Auffahrt. Sicher hatte er wieder seine Brille vergessen, vermutete sie grinsend und drehte sich um.
Kurz danach wurde sie erneut stürmisch begrüßt, diesmal von ihrem Patenonkel. Mason Conners war ein energischer, vitaler Mann Ende Vierzig mit denselben blonden Haaren, die sich im Nacken leicht lockten, wie die ihres Vaters, seines Zwillingsbruders. Er war ein erfolgreicher Arzt des Monterey Medical Centers. Er hatte ihre ersten Schritte erlebt, sie aufwachsen sehen und Faye mochte seine immer freundliche Art.
Heute war er allerdings verändert. Er erkundigte sich nach ihrem Verbleib in England, fragte höflich, aber verdächtig oft nach dem Befinden ihrer Mutter, doch trotzdem war er irgendwie anders, fand Faye. Ein leicht unterkühlter Hauch ging von ihm aus, auch lachte er nicht mehr so oft wie früher. Auf ihre Bitte, sein Feuerzeug wieder einzustecken, mit dem er die ganze Zeit nervös in den Händen herumspielte, bekam sie die seltsame Antwort, dass Luke weder Feuerzeuge noch Streichhölzer nötig habe, um ein Feuer auszulösen.
Ihr erstaunter Ausruf, dass dafür ja wohl telekinetische Fähigkeiten nötig wären, beantwortete er mit einem unverständlichen Grummeln. Nachdem er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, verabschiedete er sich so abrupt, dass Faye verdattert die Stirn runzelte. Sie nahm sich vor, ihren Vater nach seinem merkwürdigen Verhalten zu fragen, aber im Moment galt ihr Wunsch etwas ganz anderem. Eilig schloss sie die Tür hinter ihrem Onkel und lief danach anmutig die große Treppe in den ersten Stock hoch.
Faye hatte ihr Zimmer einfach und gemütlich in den Farben des Meeres eingerichtet. Mit einem Mix aus verschiedenen Blautönen und viel Weiß. Das zarte Muster auf der hellblauen Tapete erinnerte an aufsteigende Luftbläschen. Die deckenhohen Regale und Schränke waren aus gekalktem weißem Naturholz gefertigt.
Vor dem Bett mit der
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