Tanz des Lebens
mal über eine Operation nachgedacht? Ich frag das nur, weil sich ja mittlerweile die medizinischen Techniken verbessert haben. Liam war als Kind auch fast blind, er konnte nur helle von dunklen Schatten unterscheiden. Aber seit seiner Operation vor zehn Jahren hat er eine Sehstärke von fast vierzig Prozent zurückerlangt.«
Faye zog sich ein paar vereinzelte Grashalme aus ihren Locken und lächelte traurig. »Das ist lieb, dass du das fragst. Aber bei Luke ist das aussichtslos. Der Arzt hat nach seiner Geburt einen seltenen Gendefekt festgestellt.«
»Das tut mir leid«, murmelte Quin. Irgendwie hatte er immer gedacht, dass der Junge wenigstens schemenhaft etwas sehen konnte. Quin, geübt im Umgang mit seinem Bruder, der ohne seine Brille hoffnungslos aufgeschmissen war, beobachtete Luke manchmal. Und war oft verwundert, wie zielgenau er nach etwas griff oder Gegenstände auffing. Aber dann zuckte Quin mit den Schultern, er wollte Faye nicht erneut mit seinen Anmerkungen verärgern.
Nach zwei unendlich langen Stunden bekam Faye ein einigermaßen gutes und innerliches Gefühl für die verschiedenen Sprungtechniken. »Bravo, gar nicht mal so schlecht«, lachte Quin und zog sie vom Boden hoch. Jetzt zeige ich dir noch mal in Ruhe, wie du dich bei einem Beschwörungstanz innerhalb deines Zirkels verhalten musst.« Er musterte sie kurz. »Nimm die Kette ab«, bat er nach einem kurzen Zögern. »Wenn ich bei dir bin, brauchst du sie nicht. Außerdem verfangen sich beim Tanzen nur die Haare in den Ösen.«
»Okay.« Gehorsam nahm Faye den Ritualjadeanhänger ab und legte die Kette auf dem kleinen Tisch ab. Danach zog Quin sie mit sich auf die Veranda und malte mit geübtem Handgriff einen Kreidekreis auf die Holzplanken und zog die magischen Beschwörungslinien. Nachdem er sie zu sich gewunken hatte, stellte er sich hinter Faye und umfasste von hinten ihre Taille.
»Erste Regel: Guck deinem Gegner, in unserem Fall dem Natdämon oder einem Ice Whisperer, niemals in die Augen. Du musst lernen, seine Bewegungen im Voraus zu erahnen. Du musst ihn mental fühlen – vor allem von hinten, wenn du ihm den Rücken zudrehst.« Mit diesen Worten umschlang er sie noch fester. »Und jetzt schließ die Augen«, befahl er leise an ihrem Ohr. »Versuch auf meine mentale Ebene zu gelangen; pass dich meinen Bewegungen an und versuche blind auf den Linien zu tanzen.«
Langsam bewegten sich seine nackten Füße auf dem Liniengeflecht am Boden. Die Augen gehorsam geschlossen, lag Faye dicht an seinen Oberkörper gepresst und passte sich seinen Bewegungen an. Lautlos glitten sie über das magische Liniengeflecht innerhalb des Zirkels. Immer schneller führte er sie mit fließenden Bewegungen in die vorgeschriebenen Drehungen hinein. »Gib Ruhe, Lunababe«, schalt er sie nach einer Weile mild.
»Ich bin die Ruhe selber«, protestierte sie mit leicht zitternder Stimme. »Nein«, lachte er belustigt, »dein Kopf wankt hin und her wie ein Wackeldackel auf einer Kofferraumabdeckung.« Er löste einen Arm von ihrer Hüfte und drückte ihren Kopf sanft an seinen Oberkörper. Dabei berührten seine Finger ihre äußerst empfindliche kleine Wölbung am Hals. Faye zuckte kurz zusammen und lachte glockenhell auf. Irritiert schaute er sie an. »Was ist daran so komisch, Lunababe«, fragte er erstaunt. »Es kitzelt«, kicherte sie.
Belustigt schüttelte Quin den Kopf. »Also gut, dann weiter. Ich werde versuchen dich nicht mehr an deinem schönen Schwanenhals zu berühren.« Faye bemühte sich, wieder ernst zu werden. Als sie wieder zu tanzen anfingen, stellte Quin fest, wie perfekt ihr Hinterkopf die Kuhle an seinem Schlüsselbein ausfüllte. Langsam senkte er sein Gesicht an ihren Halsansatz und versuchte sich auf die Tanzschritte zu konzentrieren. Dabei wehte ihm wieder ihr berauschender Duft von jasminumrankten Kirschen in die Nase. Sie übten fast eine Stunde. Faye passte sich immer gleichmäßiger seinen Bewegungen an.
Unter seinen Händen um ihre Taille fühlte er ihre warme Haut durch ihr dünnes Top und ihren ungleichmäßigen Herzschlag, der genau so heftig klopfte wie sein eigener. Quin hielt es keine Minute länger mehr aus. »Für heute gebe ich mich geschlagen. Wir hören auf und machen morgen weiter. Es war ein langer Tag für dich.« Er hörte auf, sie im Kreis zu drehen, aber Faye blieb mit geschlossenen Augen an seinem Körper gelehnt.
»Verdammt, geh endlich duschen, Lunababe«, flüsterte er ihr atemlos ins Ohr. Als sie nicht
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