Tanz des Lebens
hat.«
Zitternd strich Faye das Pflaster über die Wunde, beugte sich vor und gab einen hauchzarten Kuss darauf. Dies geschah so automatisch, wie sie es immer tat, wenn Luke sich verletzte. Doch vor ihr stand nicht ihr Bruder. Errötend blickte sie in die glitzernden Augen von Quin. Der beugte sich vor und flüsterte dicht an ihrem Hals: »Ich habe dich ja gewarnt. Das hier war nur ein kleiner Vorgeschmack auf die dämonische Hölle, die uns noch erwartet. Aber vielleicht habe ich mich ja in dir getäuscht und du findest das viele Blut, das geflossen ist, genauso erotisierend wie ich.«
Mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck wandte er sich ab und spazierte gemächlich aus dem Zimmer. Liam kam auf sie zu und umarmte sie. »Vergiss, was er gesagt hat. Nach einem Kampf mit Ice Whisperern und Schwarzmagiern ist er immer in dieser Stimmung. Mein Bruder liebt das Töten.«
Wie in Trance blickte Faye auf die Tür, durch die Quin eben gegangen war, und strich sich fröstelnd über ihre aufgestellten Haare auf dem Arm.
20
Stolz & Gegenwehr
» V orsicht, zwei Hunde auf sechs Uhr, gleich danach Gepäckwagen auf neun.«
»Oky doky.« Gekonnt wich Luke den Hindernissen aus und wirkte dabei komplett relaxt. Er trug sein heißgeliebtes L.A.-Dodgers-Baseball-Cap mit dem Schirm im Nacken und passend dazu eine verspiegelte Sonnenbrille im selben knalligen Blauton. Wer ihn nicht kannte, sah in ihm einen blonden, fröhlichen 14- jährigen Jungen und würde bei ihm keine Behinderung vermuten.
Zudem strahlte er übers ganze Gesicht, da er Reisen, und Zugfahren insbesondere, absolut cool fand und sich allem Unheil zum Trotz die Freude daran nicht nehmen ließ. Wie immer an einem Freitag war der Terminal hoffnungslos mit Wochenendausflüglern und Pendlern überfüllt. Während sie sich langsam durch das Menschengewühl schlängelten, krallte sich Fayes Hand fest um Lukes Ärmel. Der Zug wartete schon auf dem vorgeschriebenen Gleis. Sie warf einen Blick auf die große Informationstafel.
11 Coast Starlight
Departure: 11.48 AM
Salinas, CA
Scheduled Arrival: 9.00 PM
Los Angeles, CA – Union Station
»Okay, jetzt nach links und dann kommen drei Stufen«, raunte sie Luke ins Ohr, doch Liam, der vor ihnen ging, drehte sich schon um und führte ihn sicher die Treppe hoch. Danach ergriff er ihre Hand und zog sie mit Schwung nach oben. Sie prallte an seine Brust, da Quin direkt hinter ihr die Stufen hochgesprungen war und sie unsanft zur Seite stieß, um an ihr vorbei durch die Glastür zu rennen. Mit einem scheuen Lächeln drückte Liam sie fest an sich und zog sie neben Luke in den Gang hinein, um die anderen Fahrgäste vorbeizulassen, die schon ungeduldig nachdrängten. »Nimm es meinem Bruder nicht übel, er guckt nur etwas unleidlich, weil er die Zugfahrt nicht so gut verträgt, das macht ihm etwas schlechte Laune.«
Aha. Als hätte er jemals gute Laune gehabt, dachte Faye grimmig und rieb sich die Taille, wo Quins Ellenbogen sie getroffen hatte. Ihr fielen erstaunlicherweise auf Anhieb tausend andere Adjektive für seinen Gesichtsausdruck samt seinen Launen ein: machohaft, finster, unantastbar, selbstgerecht, und undurchdringlich arrogant. In ihren Augen versprühte er den Charme eines Bullterriers, gemischt mit dem eingefrorenen Not-amused-Lächeln der englischen Queen, die damit auch keinen Blumentopf gewann.
Erstaunt zog Luke seine Stirn in Falten und sagte: »Wir hätten auch fliegen können ...«
»Nein. Auf dieser Strecke ist es egal. Quin verträgt weder die Autofahrt dorthin, noch bekommst du ihn in ein Flugzeug rein. Zugfahren ist für ihn noch die beste Alternative. Wenn es allzu schlimm wird, kann er sich hier wenigstens ein bisschen bewegen und ein Fenster öffnen.«
Liam löste zögerlich eine Hand von ihrer Taille und deutete auf das Gepäck. »Kommt, lasst uns die Sachen ins Abteil bringen und zu Quin gehen. Er ist mit Sicherheit im offenen Waggon am Ende des Zuges.«
»Super, da bin ich auch immer am liebsten«, teilte Luke im freudig mit. »Geht doch nichts über eine gute Aussicht.«
»Eh … was?«
Faye grinste. »Das ist bildlich gemeint«, informierte sie den verdattert aussehenden Liam. »Luke „sieht“ mit den Ohren. Das heißt, er spürt die Töne der Luftfrequenzen, die an den Gegenständen, wie zum Beispiel an einem Berg, abprallen und hört das Meer rauschen. Daran kann er dann die Entfernung abschätzen und sich so ein ungefähres Bild von der Landschaft um ihn herum machen.
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