Tanz des Lebens
in einen angrenzenden, kleineren Raum des großen Hauses. Während ein Mitarbeiter ihnen eine Manschette zum Abbinden des Arms umlegte, fügte U Thaala erklärend hinzu: »Man kann Dämonensiegel und die damit verbundenen Alpträume nicht entfernen. Man kann sie nur lindern, indem man Blut von den Geschwistern der Erkrankten abnimmt und es dann außerhalb ihrer Körper mit einer geheimen Mixtur vermischt, die vier Tage lang ziehen muss. Wenn wir diese Prozedur beendet haben, sagen wir euch Bescheid. Danach wird ein Bote die Blutproben nach Monterey bringen, damit wir euch das Serum unter die Haut des Siegels spritzen können. Lasst uns jetzt zu den anderen gehen und alles weitere besprechen.«
Nachdem Faye in der Küche von Mo Mo die Wegbeschreibung zu Pages Haus erhalten und Luke ihr versichert hatte, dass es ihm nichts ausmachte, alleine bei der Pferdekoppel auf Liam zu warten, machte sie sich auf den Weg. Hier oben in den Bergen schien das Wetter englische Züge zu haben, oder es spielte schlichtweg verrückt. Faye zog die Kapuze ihres roten Sweaters tiefer ins Gesicht und stemmte sich gegen den heulenden Wind.
Es hatte wieder zu regnen angefangen. Am Anfang ihres Spaziergangs war der Himmel noch leicht katzengrau gewesen, mittlerweile war daraus ein bedrohlicher schwarzer Schatten entstanden. Es war fast unmöglich zu erkennen, wo der schmale Trampelpfad endete und der Klippenrand zum River begann. Für den Bruchteil einer Sekunde schoss es Faye in den Sinn, dass es vielleicht besser gewesen wäre, Liam eine Nachricht zu hinterlassen, anstatt einfach munter alleine loszumarschieren. Aber jetzt war es dazu zu spät.
In einiger Entfernung entdeckte sie durch die Nebelwand hindurch ein flackerndes Licht, das von einem langgezogenen, flachen Gebäude am Waldrand herüberkam. Das musste das Haus von Page sein. Erleichtert atmete Faye auf.
Sie ahnte nicht, dass sie beobachtet wurde.
21
Geständnisse
San Francisco, Marriott Hotel
» B ei der versunkene Stadt, auf die wir bei unseren Ausgrabungen gestoßen sind«, sprach Mike Conners in das Mikrofon, »sind wir auf einige merkwürdige Funde gestoßen.« Interessiert beugten sich alle anwesenden Kollegen vor. Sie hatte schon im archäologischen Fachverband von der spektakulären Geisterstadt gehört, nun warteten sie alle gespannt, es aus erster Hand berichtet zu bekommen. Mike Conners stand oben auf dem Podium. Jetzt holte er tief Luft und sprach mit fester Stimme weiter.
»An der Küste sind die Temperaturen durch den Einfluss des recht kühlen Pazifiks niedriger als im Innern des Landes. Im Norden gibt es oft regnerische Winter. Hinzu kommt im Sommer oft Nebel, der entsprechend für kühlere Temperaturen sorgt. Aber im Sommer ist Monterey heiß und trocken. Und der Pazifische Ozean ist der größte und tiefste Ozean der Welt, der nicht zufrieren kann. Und doch fand ich mit meinen Studenten dort Eisgrotten in etwa zwanzig Metern Tiefe. Mir geht es darum herauszufinden, wie das Wechselspiel des Klimas zwischen unserer heutigen Kultur und der fremden, bisher noch nicht zugeordneten Kultur in dieser Geisterstadt zustande gekommen ist«, erklärte Mike seine aktuelle Arbeit.
»Die Frage ist: Wie kamen diese vereisten Grotten zustande und wie sah es im Inneren der Häuser aus, von denen wir nur wenige Grundmauern gefunden haben. Unerwartet sind auch die Zeugnisse einer anderen Identität. Außer dem Eis fanden wir in einer verborgenen Gruft noch einen anderen kulturellen Gegenstand. Einen Dolch mit einer 16 cm langen Rückenklinge, mit einem silbernen gekanteten Griff, einem zwiebelförmigen Knauf in einer Holzscheide, die mit ziseliertem Silberblech überfangen und patiniert ist. Dieser Gegenstand wurde von meiner Assistentin eindeutig als ein burmesischer Dha-Dolch identifiziert, datiert auf das frühe 19. Jahrhundert.«
Ein Raunen ging durch den Saal. Mike räusperte sich und trank einen Schluck Wasser, um seine ausgetrocknete Kehle zu kühlen. »Verehrte Kollegen«, sagte er danach zum Abschluss. »Da Sie mich alle seit vielen Jahren kennen und wissen, dass ich kein Liebhaber von Spekulationen oder irgendwelchen mystischen Geistergeschichten bin, werde ich Ihnen erst wieder mehr berichten, wenn wir zu neuen Erkenntnisse bei den weiteren Untersuchen gelangen. Ich danke Ihnen.«
Unter beifälligem Klatschen begab sich Mike zu seinem Platz in der Mitte der Zuhörer. Als er sich aufatmend auf den Stuhl setzte, knöpfte er den obersten Knopf
Weitere Kostenlose Bücher