Tanz im Feuer
aufbringst.« Lois Jackson lächelte wehmütig. »Glaub mir, ich weiß, wie es ist, wenn man die Schule abbrechen muss. Ich wäre selbst gern aufs College gegangen, aber das konnten sich meine Eltern einfach nicht leisten. Stattdessen musste ich mit fünfzehn anfangen zu arbeiten, um meine Familie zu unterstützen.«
Als sie sah, wie traurig und verletzlich Lois plötzlich wirkte, bereute Leigh, dass sie ihre Mutter so angegriffen hatte. Lois Jackson hatte fast nie von ihrer Kindheit erzählt, aber Leigh hatte trotzdem ein schlechtes Gewissen. Sie hätte nicht vergessen dürfen, dass ihre Mutter deshalb so auf materielleWerte fixiert war, weil sie als Kind in solcher Armut gelebt hatte.
Sie ging auf Lois zu, nahm sie in den Arm und drückte sie an sich. »Bitte verzeih mir, Mutter. Ich weiß, dass du immer nur mein Bestes willst. Ich wollte euch nur zeigen, dass Chad das Beste für mich ist, und zwar nicht, weil er so viel besitzt, sondern weil er ein herzensguter Mensch ist.« Sie richtete sich wieder auf und lächelte ihre Mutter in der Hoffnung auf einWort der Zustimmung an.
»Er ist durch und durch Gold«, verkündete Lois ernst. Leigh musste sich ein Lächeln verkneifen, als sie ihre Mutter das sagen hörte, und gab ihr einen leichten, aber liebevollen Kuss auf dieWange.
Lois Jackson erwiderte den Kuss ihrerTochter mit der für sie so charakteristischen Leidenschaftslosigkeit, aber Leigh hatte trotzdem das Gefühl, dass sie eine ArtWaffenstillstand geschlossen hatten. Ohne weiter über die ses Thema zu sprechen, räumten sie den Tisch fertig ab und setzten sich dann wieder auf ihre Plätze. Die beiden Frauen saßen schweigend und in ihre Gedanken versunken am Esstisch, als die beiden Männer wieder hereinkamen.
Chad schien zu spüren, dass die Stimmung gedämpft war, und lotste seine Gäste in denWohnbereich zurück, wo er in dem riesigen offenen Kamin, dessen gemauerter Abzug bis zu dem Kuppeldach zwei Stockwerke über ihnen reichte, ein wärmendes Feuer entzündete.
Bis auf Leigh, die ein Glas Milch trank, bekam jeder eine Tasse Kaffee, dann machten es sich alle vor dem warmen, leuchtenden Feuer gemütlich. Chad setzte sich neben Leigh auf eines der weichen Plüschsofas und legte in einer beschützenden, vertraulichen Geste seinen Arm um sie.
»Leigh hat uns erzählt, dass Sie im Ölgeschäft tätig sind«, begann Mr. Jackson ein Gespräch. Leigh entging nicht, dass ihrVater Chad gedanklich offenbar vom Ölarbeiter zum Manager befördert hatte. »Was genau tun Sie eigentlich?«
»Ich arbeite für Flameco.«
»Flameco«, wiederholte Harve mit nachdenklich gerunzelter Stirn. »Flameco. Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor, obwohl ich im Augenblick nicht recht weiß, woher …«
»Ölfeuerwehr«, kam ihm Chad ruhig zu Hilfe.
»O mein Gott.« Lois’Tasse klapperte vernehmlich auf der Untertasse, bis sie beides auf dem kleinen Nussholztischchen neben ihrem Sessel abgestellt hatte. Ihr Blick heftete sich auf Leigh, und zum ersten Mal an diesemTag brachte Leigh nicht den Mut auf, ihrer Mutter in die Augen zu sehen.Verlegen schaute sie auf ihre Hände.
»Sie … also … Sie löschen brennende Ölquellen?«, fragte Harve nach. Ihm war anzusehen, dass es ihn große Mühe kostete, die Fassung zu bewahren.
»Ganz recht, Sir.«
»Und …« LeighsVater holte tief Luft. »Und was genau tun Sie dabei?«
Chad schlug die Beine übereinander. Zerstreut fiel Leigh auf, dass er ein Paar brauner Straßenschuhe trug, die sie noch nie an ihm gesehen hatte. Sie merkte, dass sie sich viel lieber auf seine Kleidung konzentriert hätte, als mit anhören zu müssen, was er zu ihremVater sagte.
»Natürlich arbeitet die ganze Mannschaft Hand in Hand, aber meine Hauptaufgabe ist es, das Leck zu stopfen, sobald das Feuer gelöscht ist.«
»Wie funktioniert das?«, erkundigte sich Harve Jackson weiter.
Aus dem Augenwinkel sah Leigh, wie ihre Mutter die Hände um die Sessellehne krampfte, bis die Knöchel weiß hervortraten. Am liebsten hätte sie ihrenVater angeschrien, doch endlich über etwas anderes zu reden, aber sie wusste, dass sie diesesThema durchstehen musste.
»Grob gesagt bringen wir eine Sprengladung über dem Leck an, aus dem das Feuer gespeist wird.« Chad klang so sachlich und leidenschaftslos, als würde er die Funktionsweise einer Tiefkühltruhe erklären. »Bei der Explosion wird auf einen Schlag der ganze Sauerstoff verbraucht, so dass dem Feuer die Nahrung entzogen wird und es erlischt. Das ist der
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