Tanz im Mondlicht
in den Augen.
»Wer?«, fragte Dylan. Als er Chloes und Janes Blicken folgte, erspähte er einen jungen Mann am
Black Pearl-
Hotdog-Stand. Er hatte lange, blonde, salzverkrustete Haare. Er wollte den Leuten weismachen, dass sie von der Sonne ausgebleicht waren, aber Dylan kannte diese Angeber zur Genüge und wusste, dass die Sonne aus der Flasche stammte. Er trug Shorts und ein T-Shirt mit dem Aufdruck eines Ladens für Surfbedarf. Auf seinem Arm hatte er eine Tätowierung, einen Delfin. Die Verbindung lag auf der Hand: Chloes Transparent.
»Was soll ich zu ihm sagen?«, fragte Chloe Jane.
»Gar nichts«, erwiderte sie.
»Aber ich muss direkt an ihm vorbei, wenn wir den Kai verlassen …«
»Was hat er angestellt?«, fragte Dylan.
»Das willst du nicht wirklich wissen«, murmelte Chloe.
»Sag’s deinem Onkel«, drängte Mona. »Damit er dem Mistkerl eine Abreibung verpassen kann, die sich gewaschen hat.«
Dylans Blut geriet in Wallung, sein Beschützerinstinkt erwachte. Er wusste nicht, was der Bursche verbrochen hatte, aber er war ihm auf Anhieb unsympathisch. Seine grünen Augen wirkten kalt und leblos – er suchte die Menge mit einem Raubtierblick ab, wie ein Hai, der in einem Fischschwarm Ausschau nach Beute hält. Dylan konnte sich vorstellen, dass er zu denen gehörte, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten: Drogen, Scheckbetrug, Unterschlagung, was auch immer, um sich das zu verschaffen, was sein Herz begehrte. Sex, Drogen, Geld, Mädchen.
Dylan sah Chloe an und strich die beiden mittleren Delikte. Er kochte vor Wut, war überzeugt, dass es um Sex und Mädchen ging, dass er seine Nichte benutzt hatte. Jane hatte den Arm um Chloes Schultern gelegt, und Dylan sah die Anspannung in den Augen der beiden.
»Er surft in Newport«, erklärte Chloe. »Wahrscheinlich treibt er sich deshalb hier herum. Seht nur, wie blond und sonnengebräunt er ist.«
Dylan hätte sie gerne aufgeklärt, dass er eine Mogelpackung war, aber er hielt sich zurück. Am liebsten wäre er über den Kai marschiert, um dem Kerl die heißen Würstchen ins Maul zu stopfen, doch auch das verkniff er sich.
Mona berührte Dylans Handgelenk. »Das ist der Typ, der mit seinem Motorrad durch die Plantage gefahren ist. Und die Wurzeln herausgerissen hat!«
»Das ist der Typ?«, wiederholte Dylan. Als ob der Bursche die Energie spürte, die von der Gruppe ausging, sah er nun in ihre Richtung. Die Sicht auf Chloe wurde ihm durch Jane versperrt, aber er ertappte Dylan dabei, wie dieser ihn musterte. Im Lauf der Jahre hatte sich Dylan einen Bullenblick angewöhnt, den er meisterhaft beherrschte: Seine Augen wirkten kälter und härter als die jedes Hais. Er sah, wie der Blonde zusammenzuckte.
»Sag nichts zu ihm«, flehte Chloe.
»Du solltest ihn festnehmen«, meinte Mona. »Ehrlich, Onkel Dylan – er ist eine miese Ratte. Er hat etwas wirklich Schlimmes getan …«
»Mona«, sagte Jane warnend. »Überlass Chloe die Entscheidung, in Ordnung?«
»Ich hasse ihn einfach«, erwiderte Mona hitzig. »Weil er meine Freundin so gemein behandelt hat.«
»Chloe«, mischte sich Dylan ein. »Möchtest du, dass ich ihn mir vorknöpfe?«
Chloe schüttelte den Kopf. Als sie wieder hinüberblickten, hatte der Surfer seinen Platz auf Bannister’s Wharf verlassen – einer der besten Flaniermeilen in Neuengland an einem lauen Sommerabend – und entfernte sich eilends. Dylan behielt ihn im Auge, mit gnadenlosem Blick.
»Wie heißt er?«, fragte er.
»Zeke«, sagte Mona, als Jane und Chloe stumm danebenstanden.
Dylan wäre ihm gerne nachgegangen, um ihn wegen der Bäume, der Wurzeln und dem Verhalten gegenüber seiner Nichte zur Rede zu stellen. Aber an der Behutsamkeit, mit der Jane den Arm um Chloe legte, als wäre sie ein kleiner Vogel, den sie unter ihre Fittiche nahm, merkte er, dass er die Dinge für Chloe damit nur schlimmer gemacht hätte.
Dylan liebte Chloe und wollte sie behüten, genauso, wie er es mit seiner eigenen Tochter gemacht hätte.
Das Juweliergeschäft befand sich am anderen Ende des Kais. Janes Hand haltend, ging er den beiden Mädchen durch die Eingangstür voraus. Er deutete auf das Medaillon an Janes Hals und fragte die Verkäuferin, ob sie zwei genau gleiche habe. Seine Freude war groß, als er sah, wie glücklich Chloe und Mona waren. Und noch größer, als er die Zufriedenheit in Janes Augen entdeckte. Sein Blick fiel auf ihr eigenes Medaillon; er konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob sich darin wirklich das Bild
Weitere Kostenlose Bücher