Tanz im Mondlicht
eines kleinen Mädchens befand oder das eines Mannes, den sie geliebt und noch nicht vergessen hatte.
Dylan betrachtete es als seine Aufgabe, Taugenichtse gleich welcher Art von seiner Nichte fernzuhalten; er setzte sich gleichermaßen zum Ziel, dafür zu sorgen, dass Jane jeden Gedanken an gleich welchen Mann, den sie geliebt hatte, fahren ließ. Er hoffte, dass ihm dies heute Abend gelingen würde.
Als die Mädchen ihn baten, den Preis der Medaillons aus Sterlingsilber von ihrem nächsten Gehalt abzuziehen, schüttelte er nur lachend den Kopf.
»Das ist ein Geschenk«, sagte er. Er wusste, dass Isabel es so gewollt hätte.
Kapitel 22
B evor sie Newport verließen, wollte Chloe an dem alten Haus von Isabels Großeltern vorbeifahren. Deshalb kauften sie Eis in der Newport Creamery, danach fuhren sie abermals den Hügel hinunter. Es ging die Thames Street entlang, um die Ecke, und geradeaus am Ida Lewis Yachtclub und Harbor Court vorbei – das Geräusch der hin- und herschwingenden Fallleinen und Boote an ihren Vertäuungen im Hafen drang durch die geöffneten Fenster – vorbei an Hammersmith Farm …
»Der Regierungssitz im Sommer«, ließ sich Chloe vom Rücksitz vernehmen. »Als John F. Kennedy Präsident war.«
»Stimmt«, meinte Jane. »Als ich meinen Führerschein gemacht hatte, fuhr ich mit meiner Schwester nach Newport; wir versuchten jedes Mal, einen Blick in den Garten zu erhaschen – hielten nach Jacqueline Kennedy-Onassis Ausschau. Wir hofften, ihr auf der Straße zu begegnen, wenn sie nach Hause kam, um ihre Mutter zu besuchen.«
»Was hättet ihr gemacht?«
»Ihr angeboten, sie ein Stück mitzunehmen«, sagte Jane.
»Meine Mutter war immer stolz darauf, dass der erste katholische Präsident hier in Rhode Island geheiratet hat«, sagte Dylan.
Chloe schnaubte. »Grandma ist seltsam.«
Alle lachten. Dylan fuhr mit ihnen auf den Ocean Drive – die lange Uferpromenade, die magische Anziehungskraft besaß mit ihren Felsstränden und versteckten Buchten und dem gesamten Atlantischen Ozean zur Rechten. Der Geruch nach Salz und Seetang drang zu ihnen herüber, und Nebelschleier hüllten sie ein; es war, als befänden sie sich an Bord eines Schiffes auf hoher See. Dylan deutete in die Dunkelheit, zu den schwarzen Wellen, die brachen und weiße Gischt versprühten.
»Früher stand dort hinten der Breton Tower«, sagte er. »Und noch vor wenigen Jahren wurden die America’s-Cup-Regatten hier in Newport ausgetragen.«
»Zum Teufel mit Dennis«, sagte Jane, auf Dennis Connor anspielend, den Skipper, der den Cup verloren hatte. »Eine Zeitlang schien das der Wahlspruch unseres Staates zu sein.«
»Betty Lou erzählt immer von den Hochseeseglern, mit denen sie gevö – ich meine, sich getroffen hat«, sagte Mona. »Australier, die Champagner aus ihren Topsider-Schuhen tranken. Barbaren, wenn du mich fragst.«
»Immer noch besser als Surfer«, murmelte Chloe.
Jane drehte sich halb herum und sah sie an. Zekes Anblick hatte sie in einen Schockzustand versetzt. Jane war froh, dass sie zur Stelle gewesen war. Sie dachte an all die Jahre, die sie versäumt hatte – an die Bedrohungen und Gefahren, denen Chloe ausgesetzt war, ohne dass Jane sie beschützen konnte. Sie hatte sie gemeistert, erstaunlich gut. Ihre Adoptiveltern waren ihrer Aufgabe mehr als gerecht geworden. Dass Chloe behütet aufgewachsen war, konnte jedoch nicht die Sehnsucht stillen, die Jane empfand, die Sehnsucht, ihre halbwüchsige Tochter in die Arme zu schließen und sie für den Rest des Lebens vor allen Widrigkeiten des Schicksals zu bewahren.
»Alles in Ordnung?«, fragte Jane.
Chloe nickte, schleckte ihr Eis. Das Gefühl der Nähe war nicht zu Ende; es blieb wie ein unsichtbares Band zwischen ihnen bestehen. Chloe hatte das kleine Medaillon aus der Schachtel genommen und sich um den Hals gehängt. Jane sah es im Sternenlicht glitzern, das durch die Fenster des Pick-up schien, und ihr war, als würde sie in einem kleinen Segelboot an der Rückseite einer Meereswelle hinabgleiten.
»Das da ist der Bailey’s Beach Club«, rief Chloe, auf den Strand deutend, als sie um die letzte Kurve auf der breiten Straße bogen.
»Snobville«, meinte Mona.
»Isabels Großeltern waren wie geschaffen für diesen Verein. Der richtige Name lautet ›Spouting Rock Beach Association‹. Irgendwo gibt es dort einen Felsen mit einem Wasserfall. Isabel und ich haben oft danach gesucht. Wir dachten, er müsse wie ein kleiner gestrandeter
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