Tanz im Mondlicht
schließlich.
Jane versuchte zu nicken.
»Euer Vater hatte uns sitzenlassen. Ich war verbittert. Er hatte mir die alleinige Verantwortung überlassen, zwei empfindsame, blitzgescheite Töchter großzuziehen. Als dieser Junge dich …«
»Mich schwängerte.«
Ihre Mutter zuckte zusammen, aber sie nickte. »Ich hasste ihn. Ich verachtete ihn, weil er dich um eine große Chance im Leben gebracht hatte. Ich ließ mich bei der Entscheidungsfindung von meinen eigenen Gefühlen für deinen Vater beeinflussen. Deine Schwangerschaft war in meinen Augen etwas, das dir
angetan
wurde – dabei vergaß ich, dass noch jemand einbezogen war.«
Jane kniff ihre Augen fest zusammen, überwältigt von Schmerz.
»Chloe«, sagte ihre Mutter.
Jane starrte sie an. Margaret hatte den Namen nie ausgesprochen. Als weigerte sie sich, dem Kind eine eigene Persönlichkeit zuzugestehen, sie als Teil der Familie zu betrachten, indem sie zur Kenntnis nahm, dass Jane ihr einen Namen gegeben hatte.
»Ich habe euch beiden keinen guten Dienst damit erwiesen«, flüsterte ihre Mutter.
»Was meinst du?«
»Mein Augenmerk war ausschließlich auf dein Studium gerichtet, du solltest Spitzenleistungen in Englisch erbringen und irgendwann einmal Professorin an einer Universität werden; ich wusste aus eigener Erfahrung, wie schwer es eine alleinerziehende Mutter hat. Und dennoch … ich möchte keine Minute missen. Das ist mir inzwischen klar …«
Jane hörte das kummervolle Bedauern in der Stimme ihrer Mutter und beugte sich über das Bett, um sie zu umarmen. »Ich hatte damals schwer zu kämpfen, um meinen Magister zu machen«, fuhr sie fort. »Ich versuchte, mich gegen jüngere Studenten zu behaupten, die alleinstehend waren, ohne eine Familie, für die sie sorgen mussten. Du warst damals noch sehr jung, hattest hochfliegende Pläne, wolltest die Welt erobern – die Elite überflügeln! Ich hielt es für meine Pflicht als Mutter, einzuschreiten. Aber was habe ich dir dadurch alles vorenthalten!«
»Es war nicht dein Fehler, Mom. Ich habe dir die Schuld gegeben, das stimmt. Aber tief in meinem Inneren weiß ich, dass ich Angst vor der Verantwortung hatte, ein Kind großzuziehen. Erst als ich sie zur Adoption freigegeben hatte, wurde mir klar, welche Auswirkungen dieser Schritt auf mich hatte.«
»Und welche?«, fragte ihre Mutter, den Kopf an Janes Schulter verborgen, als fürchte sie sich vor der Antwort.
»Er hat mein Innerstes nach außen gekehrt«, erwiderte Jane und hörte die kleine Chloe immer noch weinen, als sie den Armen ihrer Mutter entrissen und weggebracht worden war.
Sie hielten sich für eine Weile umschlungen. Abby Goodheart schaute kurz herein, doch als sie die beiden in inniger Umarmung sah, ging sie lautlos davon. Jane hatte sich lange danach gesehnt, diese Dinge von ihrer Mutter zu hören. Sie dachte an Dylan, an den gestrigen Abend und den Ausdruck in seinen Augen.
»Ich weiß, dass du sie triffst, auch wenn du kein Wort darüber verloren hast«, sagte ihre Mutter. »Es war nicht schwer zu erraten, dass sie der Grund für deine Spritztouren ist.«
»Sie ist ein wunderbares Mädchen.«
»Ich habe nichts anderes von deiner Tochter erwartet.«
»Ich wünschte …«
Ihre Mutter neigte den Kopf, wartete.
Jane blickte aus dem Fenster. Von den abgestellten Autos auf dem Parkplatz der Klinik stieg flirrende Hitze auf. »Ihr Onkel weiß, wer ich bin. Er hat es gestern Abend herausgefunden. Jetzt ist alles aus.«
»Was ist aus?«
»Ich habe die Chance vertan, einen Platz in Chloes Leben zu finden.«
»Was soll das heißen?«
»Er hat mich bei einer Unwahrheit ertappt; ich habe mir unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Zutritt zu ihrer Welt verschafft. Er hält mich für eine infame Lügnerin, und das wird er ihr sagen.«
Ein Lächeln breitete sich auf den zarten Wangen ihrer Mutter aus.
»Wieso lächelst du?«
»Weil du, mein Schatz, eigentlich, wenn schon nichts anderes, etwas aus meiner kolossalen Dummheit gelernt haben solltest.«
»Was denn?«
»Dass Familienangehörige keine Ahnung haben, wovon sie reden, auch wenn sie es noch so gut meinen.«
»Aber er ist ihr Onkel – sie liegt ihm sehr am Herzen.«
»Genau wie es damals bei mir war. Als ich dein Bestes wollte …«
Janes Herz schlug schneller. Sie sah Dylan wieder vor sich, der drohend über ihr aufragte und Chloes Bild im Medaillon anstarrte. Dann hatte er ihr sein Foto von Chloe in die Hände gedrückt. Menschen, die sich ein Duell mit ihrer
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