Tanz im Mondlicht
sich die Gelegenheit bot, Chloe reinen Wein einzuschenken.
»Später, ja?«, sagte Jane. »Ich werde dir alles erzählen, aber nicht jetzt …«
»Natürlich.« Sylvies Miene war besorgt.
In diesem Moment wachte ihre Mutter auf.
»Hallo, Mädels.« Sie hielt sich die Hand vor den Mund und gähnte. »Wo habt ihr den ganzen Tag gesteckt? Ich habe mich so einsam gefühlt und darauf gewartet, dass ihr kommt!«
»Mom – ich war doch da.« Jane verspürte einen Anflug von Panik bei dem Gedanken, ihre Mutter könnte ihr Gespräch vergessen haben; sie hätte ihr gern Fragen über den heimlichen Besuch in Chloes Schule gestellt. »Erinnerst du dich? Wir haben uns über Chloe unterhalten …«
»Pssst.« Ihre Mutter blinzelte schlaftrunken und hob den Finger an die Lippen. »Pssst … du sollst ihren Namen nicht erwähnen. Jane könnte dich hören, und dann wäre sie traurig … sehr traurig …«
»Wir reden später«, sagte Sylvie und umarmte Jane.
Jane nickte und küsste ihre Schwester. Das war in Ordnung, fürs Erste war alles gesagt. Sie musste hinaus, an die frische Luft, und überlegen, wie sie es ihrer Tochter beibringen sollte.
Wie sich herausstellte, musste sie nicht lange warten. Bei der Überprüfung der eingegangenen Nachrichten hörte sie Chloes Stimme, die darum bat, sie auf Monas Handy zurückzurufen. Was sie umgehend tat.
»Hallo?«
»Hallo, Mona. Jane hier …«
»Oh, hallo! Chloe steht direkt neben mir!«
Jane wartete und hörte, wie Chloe am Stand eine Pastete verkaufte. Eine Minute später war sie am Apparat.
»Jane?«
»Ja, Chloe, ich bin’s.« Jane versuchte, tief durchzuatmen, hoffte, dass Dylan noch nicht mit ihr gesprochen hatte.
»Jane – könntest du mich abholen? Am Stand? Ich muss den … Du-weißt-schon-Test … wiederholen«, sagte Chloe, während Mona im Hintergrund kreischte: »Du dumme Nuss! Wozu denn die Geheimsprache! Hier ist doch kein Mensch weit und breit außer mir, und ich bin eingeweiht!«
Jane stand auf dem Gehweg des Krankenhauses, das Ohr an das Telefon gepresst. »Ich bin gleich da«, antwortete sie. Sie steckte das Handy ein, dann stand sie einen Moment reglos da, durchdrungen von Chloes Stimme, der Tatsache, dass ihre Tochter
sie
angerufen und um Hilfe gebeten hatte, und allem, was geschehen war.
Kapitel 25
C hloe wartete am Straßenrand. Mona würde bis zu ihrer Rückkehr die Stellung halten. Es war kurz vor zwölf und ein heißer Tag. Dampf stieg von dem Asphalt auf. Sich im Fluss abzukühlen wäre eine Wohltat gewesen. Chloe hob den Blick, spähte durch die Apfelbäume, an der Scheune vorbei. Sie wünschte, sie wäre wieder ein kleines Mädchen, könnte den Sommertag unbeschwert genießen.
»Wann kommt sie?«, fragte Mona.
»Jede Minute.« Chloe beobachtete wieder die Straße. Ihr Magen rumorte.
»Du musst positiv denken. Sag deinem Körper, dass er nicht schwanger sein kann. Er wird auf dich hören.«
»Sex ist furchtbar«, erwiderte Chloe zähneknirschend.
»Findest du?«
Chloe nickte. Sie hätte gerne gewusst, ob sie genauso elend aussah, wie sie sich fühlte. Schweißperlen hatten sich über ihrer Oberlippe gebildet. Einmal war sie mit ihren Eltern während der Überfahrt nach Block Island in einen Sturm geraten, und die Fähre hatte wie wild geschaukelt und geschlingert. Chloe war seekrank geworden. So ähnlich fühlte sie sich jetzt.
»Du wirst sehen, alles wird gut«, sagte Mona.
»Hoffentlich.«
Mona kicherte, dann schlug sie die Hände vor den Mund, um sich das Lachen zu verkneifen.
»Was ist?«
»O Gott, ich kann nicht aufhören.« Mona sah sich um. »Wir haben eine musikalische Untermalung, die zum Thema Sex passt. Piep-piep, summ-summ.«
»Die Vögel und die Bienen.« Chloe lachte, obwohl ihr speiübel war.
Vögel zwitscherten in den Bäumen: Kardinalvögel, Eichelhäher, Finken, Sperlinge. Schwalben, die in der Scheune nisteten, erhoben sich blitzschnell in die Lüfte, fingen Insekten im Flug. Honigbienen summten in den Zweigen der Apfelbäume und in den Wiesenblumen.
»Ich glaube, ich bin nicht ganz bei Trost«, sagte Mona. »In einer solchen Situation Witze zu machen.«
»Du kannst nichts dafür«, sagte Chloe, froh darüber, dass sie gelacht hatten.
»Abgesehen davon war es eigentlich kein Witz. Sondern eine tiefgründige Beobachtung. Und davon habe ich noch eine auf Lager. Seit ich dich hier am Straßenrand stehen sehe, muss ich ständig an das Stickbild denken, das bei euch in der Diele hängt.«
Chloe
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