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Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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schleppte, die eingepflanzt werden sollten. Einmal fuhr er an ihr vorbei, hoch droben auf dem grünen Traktor, dessen gelbe Räder sie wie riesige Augen anblickten. Onkel Dylan winkte, und sie lachte ihn an. Er trug eine Sonnenbrille und sah aus wie ein Spion, der Landwirt spielte.
    Er erwiderte das Lächeln nicht. Onkel Dylan war früher der lustigste Erwachsene gewesen, den Chloe kannte, obwohl er ein Gesetzeshüter war und eine Schusswaffe trug. Sowohl Chloe als auch Isabel fanden, dass er cooler war, als es sich für einen Onkel oder Vater gehörte. Keine von beiden hätte jemals damit gerechnet, nicht in Millionen Jahren, dass er irgendwann einmal wie ein Bauer sein Land bestellen würde.
    Chloe wünschte, sie hätte ihre Armbanduhr umgebunden, doch gestern, nach der Schule, hatte sie Farbe auf das Zifferblatt gekleckst, und nun lag sie auf der Spiegelkommode, wo sie besser aufgehoben war. Mona hatte versprochen, ihr heute Gesellschaft zu leisten. Hoffentlich beeilte sie sich. Das Geräusch ihres Pinsels, mit dem sie das Holz strich, raubte ihr schier den Verstand. Er redete mit ihr; war das nicht unheimlich? Nicht hörbar oder so, sondern lediglich in einem lautlosen, monotonen Singsang:
Ich langweile mich, langweilst du dich auch? Bist du sicher, dass die Katzen es zu schätzen wissen, wie du dich plagst, damit du ihnen anständiges Futter kaufen kannst? Araukanische Hühner fressen Körner und legen hübsche Eier.
    Chloe brauchte
dringend
jemanden, mit dem sie reden konnte.
    Genau in diesem Augenblick kam, wie durch eine merkwürdige Laune des Schicksals, ein alter blauer Wagen die Straße entlang, fuhr langsamer, als er sich dem Stand näherte, und hielt an.
    Chloe verrenkte sich den Hals, um zu sehen, wer darin saß. Eine Dame, allein auf dem Fahrersitz. Sie trug eine Sonnenbrille wie Onkel Dylan und eine schwarze Lederjacke – richtig cool. Die dunklen Haare hatte sie mit einem langen blauen Tuch zurückgebunden, damit sie ihr nicht ins Gesicht fielen. Chloe fand, dass sie klasse aussah. Die Frau starrte Chloe für ein paar Sekunden regelrecht an.
    Chloe neigte den Kopf. Kannte sie die Frau? Es kam ihr so vor. Vielleicht eine ehemalige Lehrerin oder eine Freundin ihrer Eltern? Sie strich weiter, bereit zu lächeln, um zu zeigen, dass sie die Dame wiedererkannte, sobald diese ihren Namen nannte.
    Die Dame stieg aus dem Wagen, einen Korb in der Hand.
    »Hallo.«
    »Hallo«, sagte Chloe.
    »Ein schöner Tag für eine Fahrt aufs Land«, erklärte die Dame und trat näher. Sie war mittelgroß, gertenschlank, trug schwarze Jeans und ein blau-weiß gestreiftes T-Shirt unter ihrer schwarzen Lederjacke. Um den Hals hatte sie eine schwarze Kordel mit einer silbernen Scheibe als Anhänger. Sie hielt den Korb mit beiden Händen; der Inhalt war unter einer geblümten Stoffserviette verborgen.
    »Ja, ich denke schon.« Chloe lächelte. »Obwohl es, wenn man auf dem Land lebt, auch ein schöner Tag für einen Ausflug in die Stadt wäre.«
    »Oh, magst du die Stadt? Ich lebe in einer.«
    »Providence?«
    »New York City.«
    »Wow«, staunte Chloe. Sie ließ ihren Pinsel sinken. Aus ihrem Bekanntenkreis lebte niemand mehr in New York. Früher hatte sie mit dem größten Vergnügen Isabel dort besucht. Tante Amanda war mit ihnen ins Museum of Natural History gegangen, um sich die Schmetterlinge anzuschauen, und anschließend ins Sarabeths, wo sie heiße Schokolade tranken. Und wenn Onkel Dylan Feierabend hatte, hatte er sie alle zum Abendessen eingeladen, in ein bekanntes Restaurant hoch über der Stadt mit Blick auf die vielen imposanten Gebäude und Brücken; man hatte das Gefühl, an Bord eines Flugzeugs zu speisen, in einer Maschine, die es nun nicht mehr gab …
    »Gefällt dir New York?«, fragte die Dame.
    »Früher war ich oft dort«, sagte Chloe. »Gibt es den Zoo noch?«
    »Den Zoo in der Bronx oder den im Park?«
    »Im Park, glaube ich. Mit der Glocke auf dem Torbogen, die von Bronzetieren angeschlagen wird.«
    »Die Delacorte-Glocke.« Die Frau strahlte. »Im Central Park. Du warst dort …«
    Chloe nickte.
    »Den Zoo gibt es noch. Alle beide. Hat er dir gefallen?«
    »Ich fand es nicht schön, mitten in der Stadt Robben zu sehen.« Chloe runzelte die Stirn. »Das Becken mag ja ganz nett sein, aber sie gehören ins Meer.«
    »Das ist eine Einstellung, die von großer Einfühlsamkeit zeugt.«
    Chloe nickte, begann wieder zu streichen. »Genau das ist mein Verhängnis.«
    Die Frau schien ein Lächeln zu

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