Tanz im Mondlicht
Browne House vorbei. Jane blickte unentwegt geradeaus. Ihre Alma Mater lag direkt vor ihr, auf dem Hügel. Chloe war ganz in der Nähe gezeugt worden, in einer Straße, die sich nur wenige Blocks entfernt befand.
Sie kamen am neoklassizistischen Atheneum mit seinen weißen Säulen, den Gebäuden der RISD und dem majestätischen Rhode Island Supreme Court House vorbei; dann brach Dylan aus dem Verkehrsgetümmel aus, indem er zuerst nach links und dann nach rechts in eine schmale Gasse abbog. Er gelangte an einen hohen Metallzaun, fuhr an einem Tor mit einer elektronischen Schließanlage vor und tippte ein paar Zahlen ein.
»Was ist denn das, ein geheimer Parkplatz?«, fragte Jane, als das Tor aufglitt und ihnen die Zufahrt zu einem kleinen Innenhof freigab.
»Ich habe hinten auf der Ladefläche des Pick-up ein paar seltene Apfelbäume verstaut und möchte keinen von diesen unberechenbaren Hobbygärtnern in Versuchung führen.«
»Woher kennen Sie die Zahlenkombination?«
»Ein Ex-Agent zu sein hat seine Vorteile«, erwiderte er mit einem mörderischen Lächeln.
Er öffnete das Tor, und sie verließen die Gasse, während der Zaun wieder über die Führungsschiene rasselte und sich hinter ihnen schloss. Er bot ihr eine Zigarette an. Sie lehnte ab. Er zündete sich selbst eine an, und Jane sah die Begierde und Selbstverachtung, die in der Geste zum Ausdruck kam. Während sie durch das dunkle Labyrinth der Gassen gingen und sie sich fragte, was Dylan hierhergebracht haben mochte, wurde ihr klar, dass er ein Mann war, der seine eigenen Geheimnisse besaß.
Er führte sie zwischen zwei Backsteingebäuden hindurch und an der South Main Street heraus. Mehrere Restaurants säumten den Block. Er legte kurz den Arm um sie, lotste sie durch die Eingangstür eines winzigen Lokals, »Umbria« genannt. Es roch nach Kräutern und Olivenöl. Kerzen flackerten auf den Tischen. Die Wände bestanden aus unverputztem Gemäuer. Die Holzbalken waren kürbisgelb gestrichen.
Zwei Frauen schienen sämtliche Arbeiten zu verrichten: Plätze zuweisen, bedienen und kochen. Sie trugen schwarze chinesische Seidenhosen und Slipper aus Baumwolle. Ihr Schmuck glich Skulpturen; die Tätowierungen auf ihren Handgelenken waren bestrickend, kompliziert und wunderschön, bestärkten Jane in der Annahme, dass die beiden von der RISD kamen.
Dylan bestellte Mineralwasser, und Jane entschied sich für das Gleiche. Es gab keine Speisekarte. Eine der beiden Frauen spulte die Liste mit den Tagesgerichten herunter. Sie war freundlich, aber auf eine völlig unpersönliche Weise. Jane hätte schwören können, dass sie Dylan noch nie gesehen hatte, doch als sie fertig war, sagte er: »Danke Oley.«
»Oley?«, fragte Jane.
»Ja. Olympia. Ihre Partnerin heißt Del – Delfine. Sie haben sich an der Kunstakademie kennengelernt und festgestellt, dass sie beide nach Ortschaften in Griechenland benannt worden waren.«
»Sie kommen oft hierher?«
Er zuckte die Achseln. »Ich musste früher häufig nach Providence, als ich an dem RICO -Fall arbeitete; damals gab es an derselben Stelle ein Restaurant, das ich sehr gut fand – das Bluepoint. Es machte zu, und dann kamen Oley und Del, und da ich mir angewöhnt hatte, hier zu essen, wenn ich in der Stadt war, probierte ich es aus.«
»Ganz anders als die italienischen Rote-Einheitssoße-Restaurants oben an der Atwells Avenue.« Jane tunkte ein kleines Stück Olivenbrot in eine Schale mit grüngoldenem Öl.
»Völlig anders.«
»Es gefällt mir. Ich bin froh, dass Sie mit mir hierhergegangen sind.«
Sie aßen und unterhielten sich angeregt. Das Gespräch drehte sich um unverfängliche Themen wie Kuchen backen und Bäume pflanzen. Oleys Tätowierung befand sich auf dem linken Handgelenk, Dels auf dem rechten.
»Tätowierungen sind inzwischen gesellschaftsfähig geworden, ganz anders als in meiner Jugend«, sagte Jane. »Damals liefen nur Seeleute damit herum. Heute sind sie buchstäblich allgegenwärtig. Haben Sie eine?«
Dylan schüttelte den Kopf. »Nein, Sie?«
Jane lächelte geheimnisvoll, ließ genussvoll eine kleine grüne Olive auf ihrer Zunge zergehen und versuchte, den Kern so elegant wie möglich loszuwerden.
»Wie wäre es mit einem Glas Wein?«, fragte er.
»Ich trinke keinen Alkohol. Aber bitte, lassen Sie sich nicht abhalten.«
»Ich trinke auch nicht.«
»Tatsächlich?«
Er nickte. »Es hat mir gereicht. Im umfassenden, globalen, kosmischen Sinn. Ich habe dem Alkohol eine Zeitlang mehr
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