Tanz im Mondlicht
zugesprochen, als mir guttat …«
Janes Herz klopfte zum Zerspringen. Sie wusste, worauf er anspielte. Jeder Mensch, der ein Kind verlor, lief Gefahr, den Kummer im Alkohol zu ertränken. Sie konnte ein Lied davon singen … »Bei mir war es genauso«, gestand sie.
Er sah sie an, als ahnte er, dass sich einiges mehr hinter der Geschichte verbarg, aber sie blieben beide stumm und aßen ihren Salat. Für sie hatte der Abend mit dem Gefühl begonnen, eine Diebin zu sein: Ihre Schwester hatte sich hinter den zugezogenen Vorhängen verschanzt und sie vorwurfsvoll angeschaut, weil sie mit falschen Karten spielte, um sich etwas anzueignen, was ihr nicht gehörte. Doch während sie aß, entspannte sie sich, und als sie merkte, dass Dylan sie ansah, erwiderte sie den Blick, in einträchtiges Schweigen versunken.
Die Tür ging auf, und zwei Paare traten ein, die verschiedenen Generationen angehörten. Jane musterte die vier, zog ihre Schlussfolgerungen und Dylan sprach sie aus.
»Ein Brown-Student, der mit seiner Freundin und deren Eltern zum Essen ausgeht.«
»Und was wäre, wenn es seine Eltern sind?«
»Das Mädchen ist der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Und der Junge ist höllisch nervös. Ich kann mich nur allzu gut an das Syndrom erinnern – nur damals, zu meiner Zeit, gingen die Eltern mit uns in den Harbor Room.«
»Ich erinnere mich an den Harbor Room. Waren Sie an der Brown?«
Dylan nickte, und Jane legte ihre Gabel aus der Hand.
»Ich auch.«
»Ein paar Jahre nach mir, schätze ich … wann haben Sie Ihren Abschluss gemacht?«
»Habe ich nicht. Ich bin vorzeitig abgegangen, nach dem zweiten Studienjahr.«
»Oh.« Er wartete darauf, dass sie fortfuhr. Sie konnte nicht. Ihr Magen verkrampfte sich, einmal, zweimal. Dabei war ihr Teller erst halb leer. Sie zwang sich, die Gabel wieder in die Hand zu nehmen und weiterzuessen.
»Nun, offensichtlich brauchten Sie keinen akademischen Grad«, sagte er. »Sie waren dazu berufen, Ihre eigene Konditorei zu eröffnen …«
»Nett, dass Sie es so sehen.« Sie kam sich unehrlich vor, weil sie wusste, dass sie mit der Wahrheit hinter dem Berg halten musste.
»Und wie sind Sie aufs Backen gekommen?«
Das Thema schien unverfänglich, war es aber nicht. Jane gab vor, sich auf ihren Teller zu konzentrieren, während sie antwortete. »Verwandte von mir hatten eine Bäckerei und Konditorei in Twin Rivers. Die Vorstellung, etwas zu backen, gefiel mir von Kindesbeinen an. Es kam mir wie Zauberei vor. Zutaten mischen, rühren und kneten, und Abrakadabra: schon ist der Kuchen fertig. Das Beste war das Brotbacken. Man deckt die Schüssel mit einem feuchten Tuch zu, um nach einer Weile festzustellen, dass der Teig aufgegangen ist – Tricks, die viel Vertrauen und Fachwissen voraussetzen.«
»Und all die herrlichen Düfte …«
Jane nickte und schloss die Augen. »Ja, sie sind wunderbar und tröstlich, auch heute noch.«
»Ihre Arbeit ist also eine Art Trost für Sie.«
»Ja, stimmt.«
»Haben Sie sich deshalb für sie entschieden? Waren Sie trostbedürftig?«
Jane antwortete nicht. Sie tat so, als hätte sie die Frage nicht gehört. Die Brown-Studenten saßen am Nachbartisch, redeten über die Theater-Abteilung und das Bühnenstück, in dem sie mitspielten. »Meine Cousine hat mir die Grundkenntnisse beigebracht«, sagte Jane schließlich. »Sie weihte mich in alle Geheimnisse ein, wie man beispielsweise Pastetenteig macht oder Torten verziert. Sie war ein großzügiger Mensch – immer bestrebt, ihre Kunden zu verwöhnen.«
»Das machen Sie mit Chloe.«
Jane riss die Augen auf. Sie fühlte sich innerlich aufgewühlt. Über Chloe zu sprechen war ihr ein Bedürfnis; aber dieses Abendessen mit Dylan war etwas Besonderes, und die kleinen Unaufrichtigkeiten, die unausgesprochenen Lügen, lasteten schwer auf ihr.
»Ja«, fuhr er fort. »Das sieht man daran, wie Sie an ihrer Arbeit am Obststand Anteil genommen haben. Und wie kunstvoll Sie die Pasteten verzieren, die Sie backen. Sie ist sehr stolz, diese kleinen Kunstwerke zu verkaufen.«
»Das freut mich.« Ihre Stimme klang gepresst.
»Sie braucht das«, sagte Dylan.
»Was?«
»Die Erfahrung, die sie in diesem Sommer macht. Die Gelegenheit, zu spüren, dass sie mit beiden Beinen fest im Leben steht. Sie ist ein ganz besonderes Mädchen. Nicht jeder versteht sie.«
»Was ist so schwer an ihr zu verstehen?« Jane konnte nicht umhin zu fragen.
Dylan schien darüber nachzudenken. Er füllte ihre
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